Schüler*innen fragen
Entwicklungsminister Dr. Gerd Müller
Drei unserer Schulen gegen den Hunger haben sich insgesamt 80 spannende Fragen überlegt, die sie dem Entwicklungsminister Dr. Gerd Müller zum Thema Covid-19 und Hunger stellen wollen. Einige der Fragen konnten wir im Interview mit ihm platzieren. Wir freuen uns sehr über das Engagement und die Neugierde unserer Schüler*innen.
Antoniuskolleg Neunkirchen-Seelscheid & Graf-Adolf-Gymnasium Tecklenburg:
Wie hat sich die aktuelle Hungerslage durch Covid-19 verändert? Wie wirkt sich die Corona-Pandemie auf die weltweite Versorgungslage aus?
Dr. Gerd Müller: Durch den Lockdown sind Versorgungsketten zusammengebrochen – mit dramatischen Folgen in den Entwicklungsländern: Experten schätzen, dass zwei Millionen Menschen an Tuberkulose, Aids und Malaria sterben, weil Medikamente zur Behandlung nicht mehr ankommen. Im Augenblick geht nur jedes zehnte Kind zur Schule – viele Kinder werden vermutlich nie wieder zur Schule zurückkehren. Dazu kommt Hunger, weil Lieferketten ausfallen, Bauern nicht die Ernten verkaufen können. Allein in diesem Jahr fallen dadurch 130 Millionen Menschen in Hunger und Armut zurück. Das ist mehr als die Bevölkerung Deutschlands, Österreichs und der Schweiz zusammen! Fast 300 Millionen Menschen haben bereits ihre Arbeit verloren. Ohne Kurzarbeitergeld, oder Sozialprogrammen stehen sie vor dem Nichts. An diesen Folgen der Pandemie sterben mehr Menschen als am Virus selbst. Die Covid-19-Pandemie ist so längst zu einer Polypandemie geworden – einer globalen Mehrfach-Krise, welche die Menschen in Entwicklungsländern am härtesten trifft.
Antoniuskolleg Neunkirchen-Seelscheid & Ostendorfer-Gymnasium Neumarkt i. d. Oberpfalz:
Was kann die Regierung gegen die Hungersnot unternehmen? Welche Maßnahmen genau wollen Sie anwenden?
Dr. Gerd Müller: Deutschland hat als einziges europäisches Land ein weltweites Corona-Sofortprogramm mit drei Milliarden Euro umgesetzt. Damit sichern wir die Ernährung und die Medikamentenversorgung von Millionen Menschen, insbesondere in Flüchtlings- und Krisenregionen – zusammen mit dem Welternährungsprogramm, UNICEF und deutschen Hilfsorganisationen. Im Irak bauen wir beispielsweise Behelfskrankenhäuser für 14.000 Patienten und verdoppeln so die intensivmedizinischen Kapazitäten im Land. In Äthiopien stellen unsere Experten die Produktion auf Millionen neuer Schutzmasken um. So bleiben Zehntausende Näherinnen in Arbeit. Das ist ein wichtiges Zeichen der globalen Solidarität. Aber die Versorgungssituation spitzt sich weiter zu. Ich würde mir wünschen, dass auch die Europäische Union jetzt entschlossen hilft und ein Stabilisierungs- und Wiederaufbauprogramm für Entwicklungsländer auflegt.
Antoniuskolleg Neunkirchen-Seelscheid & Ostendorfer-Gymnasium Neumarkt i. d. Oberpfalz:
Was können wir als Klassengemeinschaft gegen die Hungersnot während Covid-19 tun? Wie kann man als Schüler*in den Menschen in Afrika konkret helfen?
Dr. Gerd Müller: Ich finde es toll, wenn Schülerinnen und Schüler selbst vorangehen. Für Schulklassen hat das Entwicklungsministerium ein „Aktionsgruppenprogramm“ ins Leben gerufen. Damit unterstützen wir die Umsetzung Eurer eigenen Projekte – zum Beispiel wenn Ihr Eure Schule auf Fair Trade-Produkte umstellt, oder eine Aktion zum Handy-Recycling startet. Ansonsten könnt ihr als Klasse auch eine Spendenaktion unterstützen, zum Beispiel von einer Hilfsorganisation wie Aktion gegen den Hunger. Die Arbeit der Hilfsorganisationen für die Ärmsten der Armen ist mitten in der Corona-Pandemie wertvoller denn je.
Graf-Adolf-Gymnasiums Tecklenburg:
Sind Sie darüber informiert, ob die finanziellen und materiellen Hilfen, die seitens Ihres Ministeriums für die sogenannten „Entwicklungsländer“ aufgebracht wurden, für den Zweck eingesetzt worden sind, für den sie gedacht waren?
Dr. Gerd Müller: Ja, das ist mir ganz wichtig: Die Hilfen müssen auch bei den Menschen ankommen. Kein Euro darf in korrupten Kanälen landen. Um das sicherzustellen, lassen wir unsere Projekte von externen Prüfern kontrollieren. Und wir haben ein unabhängiges Institut gegründet, das die Wirksamkeit unserer Maßnahmen regelmäßig überprüft. So stellen wir sicher, dass wir mit unseren Projekten tatsächlich die Ergebnisse erreichen, die wir uns vorgenommen haben.
Wir sprechen auch ganz offen mit unseren Partnerländern über den Kampf gegen Korruption, gute Regierungsführung und die Einhaltung der Menschenrechte. Wenn Regierungen hier keinerlei Fortschritte machen, beenden wir – falls nötig - die Zusammenarbeit mit den Regierungen. Dann arbeiten wir direkt mit den Kirchen oder zivilgesellschaftlichen Organisationen. Denn Menschen, die von Hunger und Not bedroht sind, unterstützen wir weiterhin in allen Entwicklungsländern. Das ist eine humanitäre Verpflichtung.
Danke für Euer Engagement und Eure Neugierde!
Graf-Adolf-Gymnasiums Tecklenburg: Wir bedanken uns ganz herzlich bei Frau Futterknecht und dem Grundkurs Sozialwissenschaften; besonders bei Rebaz Abasi, Patrick Hövels, Phillip Nowak, David Ottl, Leo Stöckel und Philip Waldhecker.
Antoniuskolleg Neunkirchen-Seelscheid: Wir bedanken uns ganz herzlich bei Frau Schäfer und der Klasse 8 d; besonders bei Liam Maurice Becher, Eric Bellmann, Max Gerlach, Kira Hehn, Greta Kaleß, Finnja Kasten, Hannah Kaufmann, Fabio Kuschik, Jolina van Laer, Yannic Nittmann, Jannik Rheinheimer, Helena Ranz, Eva Rückert, Lina Schilling, Emilia Schmidt, Merle Schütterle, Jonas Vaporis und Elisa Zimm.
Ostendorfer-Gymnasiums Neumarkt i. d. Oberpfalz: Wir bedanken uns ganz herzlich bei Matthias Meyer und seinen Schüler*innen.
Dr. Gerd Müller ist seit 2013 Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Mit dem „Marshallplan für Afrika“ engagiert er sich in besonderem Maße für den afrikanischen Kontinent. Weitere Schwerpunktthemen sind die ländliche Entwicklung, die weltweite Ernährungssicherung mit der Zielsetzung „Eine Welt ohne Hunger“ sowie die Förderung von wirtschaftlicher Kooperation.