Kampagnenbild Aktion gegen den Hunger EU-Wahlen 2024

Solidarisch und nachhaltig wählen? Die EU-Wahlprogramme im Check

Warum solltest du bei den Europawahlen mitmachen? Wer am 9. Juni zur Wahl geht, hat die Chance, für die nächsten 5 Jahre die europäische Politik mitzugestalten – und für Kandidat*innen zu stimmen, die sich für Klimagerechtigkeit und den Zugang zu gesünderen und nachhaltigeren Lebensmitteln einsetzen.

Das EU-Parlament & die internationale Politik

733 Millionen Menschen leiden weltweit an Hunger. Diese Zahl ist schockierend, aber nicht unveränderbar. Denn die Ursachen für den weltweiten Hunger sind strukturell – und viele konstruktive Lösungsansätze und politische Forderungen liegen seit Jahren auf dem Tisch. Was hat das mit den EU-Wahlen und dem Europäischen Parlament zu tun? Tatsächlich einiges.

Die EU ist ein wichtiger Akteur im Bereich der humanitären Hilfe und der Entwicklungszusammenarbeit auf globaler Ebene, sowie bei der Förderung des ökologischen Wandels und solidarischen Miteinanders innerhalb der Europäischen Union. Das Europäische Parlament spielt als Mitgesetzgeber eine entscheidende Rolle bei der Ausrichtung der EU-Politik. Es befasst sich mit vielen wichtigen Themen für die EU: mit der Außenpolitik und der Entwicklungszusammenarbeit, der Reaktion auf humanitäre Krisen sowie der Förderung der Ernährungssicherheit in Europa und weltweit.

Wähle gegen den Hunger: EU-Wahlen 2024

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Die Programme der EU-Parteien – unsere Analyse

Im EU-Parlament haben sich die nationalen Parteien zu sechs großen europäischen Fraktionen zusammengeschlossen. Wir haben uns die EU-Wahlprogramme der größten Parteien angeschaut und im Hinblick auf unsere Kernthemen analysiert.

Was sind die wichtigsten europäischen Parteien?

  • Die Europäische Volkspartei (EVP): Hier schließen sich die christdemokratischen und konservativen Parteien zusammen, zum Beispiel die CDU und CSU aus Deutschland und die „Républicains“ aus Frankreich.
  • Die Sozialdemokratische Partei Europas (SPE): Hier finden sich die europäischen sozialdemokratischen Parteien zusammen, beispielsweise die SPD aus Deutschland und die SPÖ aus Österreich.
  • Die Europäische Grüne Partei (EGP): Darin sammeln sich alle grünen und ökologischen Parteien Europas, Zum Beispiel Bündnis 90/Die Grünen aus Deutschland, „Zieloni“ aus Polen und „Miljöpartiet de gröna“ aus Schweden.
  • Die Europäische Linke (EL): Hier sammeln sich demokratische Parteien der alternativen und progressiven Linken wie zum Beispiel die deutsche Partei Die Linke, „Syriza“ aus Griechenland und der „Parti Communiste Français“ aus Frankreich.
  • Die Fraktion Renew Europe, ehemals Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa – ALDE, in der sich liberale und zentristische Parteien versammeln, zum Beispiel die deutsche FDP, die deutschen Freien Wähler und die niederländische „Volkspartij voor Vrijheid en Democratie“.
  • Die Partei der Europäischen Konservativen und Reformisten (ECR), ehemals AKRE – Allianz der Konservativen und Reformer in Europa: Dies ist der Zusammenschluss von Mitte-Rechts-Parteien, darunter Giorgia Melonis Partei „Fratelli d’Italia“, die polnische PiS-Partei und die deutsche Partei Liberal-Konservative Reformer (LKR) des ehemaligen AfD-Sprechers Bernd Lucke.
  • Die Identität und Demokratie Partei (IDP): Hier schließen sich rechtspopulistische, nationalistische und EU-skeptische Parteien zusammen. Mitglieder sind unter anderem die AfD aus Deutschland, der französische „Rassemblement National“ und die belgische Partei „Vlaams Belang“.

Hier kommt unsere Analyse der europäischen Parteiprogramme in 5 Themenbereichen:

1. Nahrungs- und Ernährungssicherheit – gespaltene Positionen

Das Thema Nahrungssicherheit und Mangelernährung spielt sich auf EU-Ebene hauptsächlich innerhalb der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) ab, ein wichtiges Instrument der Europäischen Union für den innereuropäischen Agrar- und Fischereisektor.

In den Programmen scheinen sehr unterschiedliche Visionen zum Thema Landwirtschaft und Stärkung der Ernährungssicherheit durch. Einige Parteien favorisieren technologische und robotergestützte Lösungen (EVP) oder Investitionen in Innovationen und Technologien im Landwirtschaftsbereich (Renew Europe). Andere setzen auf die Förderung kurzer Lieferketten und von Ernährungssouveränität (EL) oder auf Investitionen in die agrarökologische Umstellung der Höfe und die Unterstützung nachhaltiger Lebensmittelsysteme (EGP). Nur wenige Parteien gehen konkret auf den Zugang zu gesunden und nachhaltigen Lebensmitteln ein – mit Ausnahme der Parteien, die Reformen der Sozialsysteme fordern.

Auf globaler Ebene widmen sich ausschließlich die Grünen dem Thema „Zero Hunger“. Im Kontext der Außenpolitik nennen sie die Auswirkungen der Gemeinsamen Agrarpolitik auf die Ernährungssicherheit in den Partnerländern. Das grüne Programm betont, wie wichtig es für die EU ist, auf ein widerstandsfähiges und nachhaltiges globales Ernährungssystem hinzuwirken. Um das Recht auf Nahrung für alle umzusetzen, fordern sie agrarökologische Ansätze und eine Handelspolitik, die mit den Prinzipien der Ernährungssouveränität und der Bewältigung der Klimakrise im Einklang steht.

Zwei Jugendliche in Tansania gießen ihren Gemüsegarten.
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So wie in diesem Gemüsegarten in Tansania unterstützen wir Landwirt*innen weltweit, sich mit klimaresilienten Anbaumethoden langfristig gut aufzustellen. Wir schulen lokale Bäuer*innen in agrarökologischen Methoden und entwickeln gemeinsam mit ihnen die passenden Anbaustrategien. Durch ökologischen Dünger und dürreresistentes Saatgut können die Kleinbäuer*innen unabhängig von Großkonzernen im Einklang mit der Natur produzieren.

2. Zugang zu Sozialsystemen und grundlegenden Dienstleistungen – große Lücken

Dieses Politikfeld wird in den politischen Programmen auf EU-Ebene insgesamt recht spärlich behandelt. Bei den Parteien, die sich dazu äußern, liegt der Schwerpunkt auf der Verwirklichung grundlegender Rechte und der Wahrung der Menschenwürde.

Die Grünen schlagen vor, das Recht auf Nahrung als Grundsatz in die europäische Gesetzgebung aufzunehmen. Auf nationaler Ebene sollen Mechanismen umgesetzt werden, die den Zugang zu gesunden Lebensmitteln gewährleisten und gleichzeitig lokale Versorgungsketten unterstützen. Die Linke schlägt eine europäische Richtlinie für ein Grundeinkommen vor. Die Mitgliedstaaten wären dazu verpflichtet, ein Mindesteinkommen für alle zu garantieren, das die Grundbedürfnisse für ein menschenwürdiges Leben deckt (Nahrung, Wohnung, Energie, Kultur).

Das Thema Migration ist in allen Programmen präsent, wobei speziell die Rechte von Migrant*innen nur in einigen wenigen Programmen besondere Beachtung finden. Darunter wollen einige Parteien die Seenotrettung stärken (SPE, Renew Europe, EGP), aber auch entsprechende Abkommen mit Ländern, die die Menschenrechte verletzen, beenden (EL, EGP). Außerdem werden legale und sichere Migrationsrouten nach dem Vorbild der Aufnahme ukrainischer Flüchtlinge in Europa gefordert (EGP).

  • Das fordern wir: Aktion gegen den Hunger setzt sich für eine kohärente und integrative Politik ein, insbesondere durch einen universellen und feministischen Sozialschutz. Vertriebene und Geflüchtete müssen menschenwürdig und bedingungslos aufgenommen werden – und während ihrer gesamten Migrationsroute besonderen Schutz genießen, auch während Such- und Rettungsaktionen auf See. Aktion gegen den Hunger spricht sich vehement gegen jegliche politische Instrumentalisierung von Entwicklungszusammenarbeit zur Steuerung von Migrationsströmen aus. 

3. Humanitäre Krisen – auffällige Leerstelle

Trotz der deutlichen Zunahme von Krisen und humanitären Katastrophen auf der ganzen Welt sind  humanitäre Einsätzen in den europäischen Programmen weitgehend nicht enthalten.

Einige Parteien fordern die Einhaltung des internationalen Rechts (SPE) und des humanitären Völkerrechts (EGP). Andere betonen die Notwendigkeit, weiterhin humanitäre Hilfe an die Ukraine zu leisten (EVP, SPE) oder fordern mehr humanitäre Hilfe für Gaza (EL). Die Programme gehen jedoch nicht auf die aktuellen großen Herausforderungen der humanitären Hilfe ein: Das diplomatische Engagement der EU muss verstärkt werden, um humanitäre Einsätze auch in Krisenregionen zu schützen möglich zu machen. Außerdem muss es mehr finanzielle Unterstützung und Aufbaumaßnahmen in humanitären Notsituationen und Hungerkrisen geben.

 

4. Handelsabkommen vs. Agenda 2030

Die Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDG) der Agenda 2030 und die internationale Zusammenarbeit an sich werden in den einzelnen Programmen sehr unterschiedlich behandelt.

Im EVP-Programm, das den Schwerpunkt auf die Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU legt, werden die SDGs gar nicht genannt. Im Renew-Programm wird mehr internationale Zusammenarbeit im Hinblick auf das Thema Migration gefordert. Durch wirksame Partnerschaftsprogramme, die der Schaffung von Arbeitsplätzen und der Bewältigung der Klimakrise Priorität einräumen, sollen Pull- und Push-Faktoren reduziert werden. Gleichzeitig sollen das Bewusstsein für die Risiken der Migrationsrouten geschärft werden.

Die SPE setzt sich für die Förderung der SDGs ein und betont, dass das vorrangige Ziel der Entwicklungspolitik darin bestehen sollte, das Leben der betroffenen Bevölkerung zu verbessern. Die Linke stellt „neokoloniale Hegemonie und Vorherrschaft“ radikaler in Frage, um das Prinzip der „gemeinsamen Entwicklung“ zu fördern. Sie schlägt unter anderem die Einrichtung eines europäischen Fonds für soziale und ökologische Zusammenarbeit vor, an dem Vertreter*innen der betroffenen Länder beteiligt sind. Die Grünen folgen der gleichen Logik: Sie befürworten die Kombination von internationalen Partnerschaften und Handelsabkommen auf der Grundlage der SDGs und fordern mehr Kohärenz in der EU-Politik.

Die Klimakrise wird zwar in allen Programmen angesprochen, aber zu wenige beziehen sich auf die internationalen Verpflichtungen der EU, insbesondere im Rahmen des Pariser Abkommens und der Klimakonferenzen.

  • Das fordern wir: Aktion gegen den Hunger fordert eine gerechte und nachhaltige internationale Zusammenarbeit auf der Basis der Agenda 2030, um globale Herausforderungen wie Hunger, Zugang zu Wasser und Gesundheit, Armut, Ungleichheit, Klima und Frieden anzugehen.
     
Ein Mann im Irak läuft über die ausgetrocknete Erde zu seinem Ruderboot in einem kleinen See.
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Es gibt viele Gründe, warum Menschen überall auf der Welt zu wenig zu Essen haben. Neben bewaffneten Konflikten und der globalen Ungleichheit ist der fortschreitende Klimawandel eine der Hauptursachen für den steigenden Hunger. Die Menschen im Irak beispielsweise haben seit Jahren mit massiven Dürren und Hitzewellen zu kämpfen – dadurch verdorren Ernten und vertrocknen Flüsse.

5. Fehlende Finanzierung – ein Dauerbrenner

Trotz des erheblichen Bedarfs und der internationalen Verpflichtungen der EU und ihrer Mitgliedstaaten bleibt das Thema der Finanzierung von humanitärer Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit weitgehend unberücksichtigt.

Die Linke und die Grünen nennen zwar das Thema Schulden und fordern eine Umstrukturierung oder sogar einen Schuldenerlass für bestimmte Länder. Aber nur die Grünen gehen ausführlicher auf die Frage der staatlich finanzierten Entwicklungszusammenarbeit ein und beziehen sich auf die internationale Zielsetzung, mindestens 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens aufzuwenden. Außerdem fordern sie, Projekte auf lokaler Ebene zu koordinieren und die finanzielle Unterstützung für lokale Akteur*innen der Zivilgesellschaft zu verstärken.

  • Das fordern wir: Wir fordern einen ehrgeizigen und rechenschaftspflichtigen europäischen Finanzrahmen zur Bekämpfung des Hungers in der Welt, der Menschenrechten Vorrang vor wirtschaftlichen und (sicherheits-) politischen Interessen einräumt.

Wege zu einer solidarischen Gesellschaft

In den letzten Jahren wurden in der europäischen Politik zu oft Wirtschafts- und Sicherheitsinteressen wichtiger genommen als die Wahrung der Menschenrechte. Aktion gegen den Hunger fordert die bald neu gewählten Mitglieder des Europäischen Parlaments auf, der Umgestaltung der Ernährungssysteme, der sozialen- und Klimagerechtigkeit und dem Schutz humanitärer Hilfe absolute Priorität einzuräumen.

Wir fordern:

  • eine fundamentale Umgestaltung unserer Ernährungssysteme in der europäischen Politik, die auf agrarökologischen Ansätzen und Geschlechtergerechtigkeit basiert
  • den Schutz des humanitären Raums und Stärkung der europäischen Führungsrolle in der humanitären Diplomatie 
  • eine transparente, rechenschaftspflichtige und inklusive Politik zur Erreichung der Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs) in Europa und weltweit
  • eine ambitionierte und langfristige europäische Finanzierung zur Beendigung des Hungers in Europa und weltweit
24. JULI 2024
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