Weltweit sind 45 Millionen Kinder akut mangelernährt. Jedes Jahr sterben drei Millionen Kinder unter fünf Jahren an den Folgen von schwerer akuter Mangelernährung. Unsere Teams behandeln jeden Tag Kinder gegen Mangelernährung und die allermeisten kleinen Patient*innen erholen sich nach einigen Tagen bis Wochen. Doch was passiert mit ihnen, wenn sie unsere Behandlungszentren verlassen haben? Wie viele dieser Kinder bleiben auch langfristig gesund?
Betroffene Kinder sind stärker rückfallgefährdet
In unserer neuen Studie wurde das langfristige Wohlergehen von geheilten Kindern in Mali, Somalia und Südsudan untersucht. Die Studie verfolgte die Fortschritte der Kinder sechs Monate lang nach der Behandlung gegen die akute Mangelernährung – und verglich sie mit gesunden Kindern in ihrem Alter.
Das sind die Ergebnisse der Studie:
- Höhere Rückfallraten in ländlichen Kontexten: Die Studie zeigt, dass die Rückfallraten in ländlichen Gebieten, in denen die Bevölkerung nur begrenzten Zugang zu medizinischer Versorgung, Lebensmitteln oder Hilfsprogrammen hat, um fast 50 Prozent höher sind. Im städtischen Mogadischu in Somalia, zum Beispiel, beobachteten die Forscher*innen niedrige Rückfallquoten (5 Prozent), selbst bei Binnenvertriebenen. Für das langfristige Wohlergehen der Kinder ist der Zugang zu regelmäßigen gesunden Mahlzeiten und ärztlicher Versorgung elementar wichtig.
- Langfristige Begleitung der Kinder nötig: Vor dieser Studie ging man davon aus, dass Kinder, die sich von einer akuten Mangelernährung erholt haben, genauso gesund sind wie ihre Altersgenossen. Doch die neuen Ergebnisse deuten darauf hin, dass das nicht stimmt: Die genesenen Kinder haben ein bis zu fünfmal höheres Risiko, wieder medizinische Unterstützung zu benötigen. Von Mangelernährung genesene Kinder müssen also viel langfristiger betreut werden, als zuvor angenommen.
- Kinder, die schnell reagieren, erholen sich eher: Kleine Patient*innen, die schnell auf die Behandlung von Mangelernährung reagieren, erholen sich eher – unabhängig davon, wie schwer die Familie von Ernährungsunsicherheit und Armut betroffen ist. Die Autor*innen der Studie vermuten, dass bei Kindern, die nur langsam auf die erste Behandlung ansprechen, bestimmte biologische oder soziale Faktoren wirken, die ihre Reaktion auf die Behandlung erschweren – und auch über die Genesung hinaus negative Auswirkungen haben können.
- Jungen sind anfälliger als Mädchen: In Mali fanden das Forschungsteam heraus, dass Jungen im Vergleich zu Mädchen eher zu einem Rückfall in die Mangelernährung neigen. Dies deckt sich mit anderen neuen Erkenntnissen, die zeigen, dass Jungen generell anfälliger für akute Mangelernährung sind als Mädchen.
- Gemeinschaft und Kontext spielen eine Rolle: Die Gemeinschaft und die Infrastruktur, in der die Kinder leben, sind für eine nachhaltige Erholung von Mangelernährung wichtiger als Faktoren, die mit der Kernfamilie oder dem Haushalt zusammenhängen. Dies zeigt wieder einmal, wie wichtig kommunale Leistungen wie Gesundheitsversorgung, Wasserversorgung und ein funktionierendes Transportnetz für die Prävention gegen Mangelernährung ist.
45 Millionen Kinder unter fünf Jahren weltweit sind akut mangelernährt.
In ländlichen Gegenden sind die Rückfallraten von Kindern in die Mangelernährung bis zu 50 Prozent höher.
Bei Kindern, die schon einmal an Mangelernährung litten, ist das Risiko, wieder daran zu erkranken, fünfmal höher als bei anderen Kindern.
Fazit: Bessere langfristige Behandlung von Mangelernährung
Die Ergebnisse machen deutlich: Um Rückfälle bei genesenen Kindern zu vermeiden, brauchen diese auch nach der medizinischen Behandlung weiterhin eine kontinuierliche Überwachung und Unterstützung. Eine nachhaltige Genesung von Mangelernährung erfordert den Zugang zu günstigen und gesunden Nahrungsmitteln. Außerdem scheint ein Rückfall wesentlich von der lokalen Verfügbarkeit anderer Dienstleistungen wie Zugang zu medizinischer Versorgung und sauberem Wasser sowie der Unterstützung durch die Familie und die Gemeinschaft beeinflusst zu werden. Das zeigt, dass wir Hunger nur ganzheitlich bekämpfen können.
Unsere Kollegin Dr. Salma Mahayu untersucht ein mangelernährtes Baby in einem Gesundheitszentrum in Tansania. Wir begleiten Kinder, die unter Mangelernährung leiden, von der Diagnose über die Behandlung bis hin zur Genesung. Nach den Ergebnissen dieser Studie werden wir unser Augenmerk noch stärker auf die Entwicklung der Kinder nach der erfolgreichen Behandlung richten.
Blick in die Zukunft: Hunger langfristig bekämpfen
Auch wenn dies die allererste Studie zu einem Thema ist, das noch viel gründlicher erforscht werden muss: Die Ergebnisse liefern uns eindeutige Tendenzen, wie wir die Hungerbekämpfung in Zukunft aufstellen müssen, um noch effektiver zu sein.
„Die Ergebnisse legen nahe, dass wir unsere Hilfsprogramme auf Kinder ausrichten sollten, die zuvor stark mangelernährt waren – ganz besonders in ländlichen Gebieten mit schlechtem Zugang zu kommunalen und sozialen Diensten. Außerdem brauchen wir mehr Wissen darüber, wie wir Rückfälle verhindern können. Es muss noch viel mehr geforscht werden!“, sagt Heather Stobaugh.
Hintergrundinformationen zur Studie
Die wissenschaftliche Studie von Aktion gegen den Hunger wurde in Mali, Somalia und Südsudan durchgeführt und verfolgte den Zustand der von Mangelernährung geheilten Kinder 6 Monate nach der Behandlung – eine erstmalige wissenschaftliche Untersuchung dieser Art. Das Forschungsteam erfasste seine Daten sowohl in Behandlungszentren von Aktion gegen den Hunger als auch in staatlichen Gesundheitszentren. Für die Datenerhebung wurden Forscher*innen von Aktion gegen den Hunger eingestellt und speziell geschult. Das Projekt lief unter der Leitung von Dr. Heather Stobaugh, leitende Forschungsexpertin bei Aktion gegen den Hunger, und Dr. Sarah King, Expertin für Ernährung und Epidemiologie beim U.S. Centers for Disease Control and Prevention (CDC).