Adhele (35) wusste, dass etwas nicht stimmte, als ihr zweijähriger Sohn Piol aufhörte herumzulaufen: „Er bewegte sich kaum, er spielte nicht, er wollte immer nur noch liegen“, erinnert sie sich.
Ihr Verdacht wurde bestätigt, als ein Team von Aktion gegen den Hunger in ihrem Dorf Baackuel eintraf und die Kinder auf Mangelernährung untersuchte. „Sie haben den Oberarmumfang von meinem Sohn gemessen und gesagt, ich solle ihn zum nächsten ambulanten Behandlungszentrum bringen. Ich war überrascht, dass mein Kind an Mangelernährung litt und sehr traurig, denn sonst war niemand in meiner Familie unterernährt“, so Adhele.
Diagnose Mangelernährung
Nach der Diagnose machte sie sich mit Piol sofort auf die 40 Kilometer lange Reise nach Malualkon, einer Stadt im Nordwesten des Südsudan. Dort befindet sich das am nächsten gelegene Ernährungszentrum von Aktion gegen den Hunger, wo Piol behandelt werden sollte.
„In dem ambulanten Zentrum bekam ich jeden Tag spezielle Nahrung für Piol. Die Ärzte sagten mir, ich solle die Behandlung 14 Tage lang fortsetzen. Schon nach wenigen Tagen konnte ich die Veränderung bei Piol sehen: Er war wach und begann Gewicht zuzulegen. Ich war sehr erleichtert."
Adhele mit ihren zweijährigen Sohn Piol, der von Aktion gegen den Hunger wegen Mangelernährung behandelt wurde.
Wie viele Mütter, die miterlebt haben, wie ihre Kinder an lebensbedrohlicher Unterernährung leiden, kehrte Adhele mit dem starken Wunsch ins Dorf zurück, Hunger und seine Auswirkungen zu verhindern. Fortbildungen von Aktion gegen den Hunger haben ihr dabei geholfen, dieses Ziel zu verwirklichen.
Ernährungssicherheit durch Gemüsegärten
Neben der akuten Behandlung von Mangelernährung setzt sich Aktion gegen den Hunger weltweit dafür ein, dass Mangelernährung gar nicht erst auftritt. Die wichtigste Grundlage dafür ist, dass Gemeinden wie Baackuel langfristige Ernährungssicherheit erlangen können. Eine erprobte Methode dafür ist die Einführung von Gemüsegärten. Um das in Baackuel umzusetzen, wurde Adhele als eine der ersten ihres Dorfes in neuen, nachhaltigen Anbaumethoden geschult.
„Die traditionelle Art der Landwirtschaft in der Region besteht darin, das Land zu pflügen und die Samen nach dem Zufallsprinzip zu verteilen. Dann warten die Menschen auf Regen, um den Boden zu wässern“, erklärt Sanino Garang, der als Hygieneberater für Aktion gegen den Hunger arbeitet. „Wir zeigen den Menschen, wie sie ihre Äcker in kleinen Dämmen anlegen und Wasser aus dem nahe gelegenen Bohrloch für die Bewässerung zu nutzen können“, so Garang. „So können sie auch dann Ernten einfahren, wenn es wegen der Dürre keinen Regen gibt.“
Adhele in ihrem Gemüsegarten.
Klimawandel verstärkt den Hunger
Regen ist bisher der bestimmende Faktor für die Ernte in den trockenen Gebieten des Südsudans. Nach Ende der Regenzeit steigen die Temperaturen im November bis auf knapp 40 Grad Celsius. Die traditionelle Landwirtschaft in Dörfern wie Baackuel hängt davon ab, dass Wetterbedingungen sich vorhersehbar verhalten. Der Klimawandel führt jedoch zu immer häufigeren extremen Wetterereignissen, wie Dürren oder Starkregen. Das macht die von der Ernte abhängige Nahrungsmittelversorgung des Dorfes zunehmend anfällig. „Als ich ein kleines Mädchen war, hat es von April bis November geregnet. Heutzutage fängt der Regen erst im Juni an und hört schon im Oktober wieder auf. Selbst wenn ich drei Parzellen bewirtschafte, kann es sein, dass ich nichts ernte“, erklärt Adhele.
Wasser marsch – gegen den Hunger, für die Gesundheit
Der Zugang zu Wasser ist eine der wichtigsten Grundlagen dafür, die Gemeinde widerstandfähig gegen die Auswirkungen des Klimawandels zu machen. Mit Hilfe von Aktion gegen den Hunger wurde daher ein Brunnen gebaut und ein speziell geschultes Wasserkomitee gegründet.
Nur einen Steinwurf vom neuen Brunnen entfernt, kann Adhele ihren Gemüsegarten jetzt jederzeit gießen und nährstoffreiche Pflanzen wie Tomaten, Okra, Zwiebeln, Grünkohl, Wassermelonen und Kürbisse anbauen.
Fünfmal täglich holt Adhele Wasser beim Brunnen und füllt dabei etwa 11 Kanister. Seit kurzem holt sie einen zusätzlichen Kanister: sie und ihr Ehemann Garan wollen damit eine eigene Toilette betreiben. Wie sie die mit einfachen Mitteln bauen können, haben sie in einem Training von Aktion gegen den Hunger gelernt.
„Wenn wir eine Latrine haben, müssen die Kinder nicht mehr im Freien auf die Toilette gehen, wo sie mit Bakterien in Berührung kommen oder von wilden Tieren angegriffen werden können“, sagt Adhele.
Wasserkomitee setzt neue Hygienestandards
Eine richtige, eigene Toilette – diese Idee hat sich wie ein Lauffeuer im ganzen Dorf verbreitet. „Ich wünsche mir, dass jeder im Dorf eine Latrine nutzen kann. Vor allem wenn es regnet, ist das viel hygienischer", erklärt Adhele, die Mitglied im neuen Wasserkomitee ist. Das Komitee klärt die Dorfbewohner*innen über Hygiene auf und ist dafür verantwortlich, den Brunnen in Stand zu halten.
„Ich wurde von der Gemeinde als Mitglied des Komitees ausgewählt“, sagt Adhele. „Die Vorsitzende, Nyanut, hat mir die Verantwortung übertragen, das Bohrloch sauber und abfallfrei zu halten. Denn es kommen auch viele Menschen aus anderen Dörfern um Wasser zu holen. Einige von ihnen kommen mit Eseln, die sich um das Bohrloch herum erleichtern. Das kann Krankheiten verursachen. Deshalb ist es meine Aufgabe, das Bohrloch sauber zu halten. "
Adhele pflegt den Brunnen der Gemeinde.
Adhele erhält viel Anerkennung für ihre Arbeit von ihren Nachbar*innen. „Einige Leute aus der Gemeinde bedanken sich bei mir für meine Arbeit“, sagt Adhele. „Andere loben mich dafür, dass ich mich so für unser Dorf einsetze“.
Adheles Führungsposition trägt auch dazu bei, dass die Rolle der Frauen im Dorf neu gestaltet wird. „Es ist sehr gut, Teil des Wasserkomitees zu sein. Wir müssen viele Dinge tun, um der Gemeinde zu zeigen, dass Frauen selbstbewusst und fähig sind“, erklärt Adhele.
Die Früchte der Arbeit: gesunde Ernährung für die ganze Familie
Adhele verbringt einen Großteil ihres Tages damit, ihren Gemüsegarten zu wässern und dafür zu sorgen, dass alles wächst und gedeiht. Das Land mit ihren Händen zu bearbeiten, damit die Sämlinge sprießen, bringt Adhele eine Freude, die sie noch nie zuvorerlebt hat. Diese neue Art der Landwirtschaft zu erlernen bringt eine ganz neue Hoffnung in die Gemeinde.
„Grünkohl und Okra werden bald geerntet. Wenn ich sie wachsen sehe, macht mich das sehr glücklich.“, sagt Adhele.
„Grünkohl und Okra werden bald geerntet. Wenn ich sie wachsen sehe, macht mich das sehr glücklich. Die gesamte Gemeinde ist so dankbar für das Training und die Samen, die wir bekommen haben und wir wollen weiter lernen. Mehr Menschen im Dorf möchten darin geschult werden, wie man einen Gemüsegarten anlegt. So können wir dazu beitragen, Mangelernährung bei unseren Kindern zu verhindern – und das ist unser größter Wunsch.“