Coronavirus in Gaza: Humanitäre Katastrophe droht
Die schnelle Ausbreitung von COVID-19 im Gazastreifen hat fatale Konsequenzen für die Bevölkerung. Über Monate hinweg konnte die Verbreitung erfolgreich verhindert werden. Ende August haben die zuständigen Behörden jedoch erstmals positive Fälle außerhalb der Quarantänestationen nachgewiesen. Zuletzt wurden im Durchschnitt 80 bis 100 Corona-Fälle pro Tag gemeldet. Inzwischen ist die Zahl der Fälle auf über 1.500 angestiegen.
Gesundheitssystem vor dem Zusammenbruch
Aufgrund der mangelhaften Wasserversorgung und der hohen Bevölkerungsdichte wird eine rasche Ausbreitung des Virus befürchtet. Präventive Maßnahmen wie Social Distancing sind in einem der am dichtesten besiedelten Gebiete der Welt eine enorme Herausforderung. Zudem verschärft der Ende August verhängte zweite Lockdown die wirtschaftliche Notlage der Bevölkerung.
Das schlecht aufgestellte Gesundheitssystem im Gazastreifen könnte einer ungehemmten Ausbreitung nicht standhalten. Die Krankenhäuser verfügen derzeit über weniger als 100 Intensivbetten, die vorhandenen Beatmungsgeräte könnten 350 Patientinnen und Patienten mit COVID-19 behandeln – eine dramatische Unterversorgung bei einer Bevölkerung von 2 Millionen Menschen.
Sauberes Wasser: Schlüssel gegen die Ausbreitung von COVID-19
Die mangelnde Wasserversorgung der Bevölkerung ist eines der größten Probleme. „Die Einschränkungen bei der Trinkwasserversorgung und die unzureichende Abwasserbehandlung gehörten schon vor der Pandemie zu unseren Hauptanliegen“, sagt Lucas Honauer, Direktor von Aktion gegen den Hunger für die Palästinensischen Autonomiegebiete, aus Jerusalem.
„Unter den gegenwärtigen Umständen verschärft sich die Situation. Sauberes Trinkwasser ist der Schlüssel zur Eindämmung jeder Epidemie. Daher ist es von entscheidender Bedeutung, dass wir die Bevölkerung weiterhin mit grundlegender Wasserversorgung und Abwasserentsorgung unterstützen, die vorhandenen Präventionssysteme stärken und damit einen Beitrag im Kampf gegen das Virus leisten können“, so Honauer weiter.
Ausfälle in der Stromversorgung
Der Anstieg der COVID-19-Fälle in der Bevölkerung fiel mit der Schließung des einzigen Elektrizitätswerks im Gazastreifen am 18. August 2020 zusammen. Aktuell ist das Stromnetz nur acht Stunden durchschnittlich pro Tag in Betrieb.
„Die Lockdowns treffen die Menschen hier empfindlich – mit einer auf 8 bis 12 Stunden pro Tag begrenzten Stromversorgung ist es quasi unmöglich, von Zuhause aus zu arbeiten oder Lebensmittel angemessen zu lagern“, berichtet Honauer.
Abgesehen von den Konsequenzen für Privathaushalte hat die Unterversorgung auch dramatische Folgen für die Aufrechterhaltung der Infrastruktur. „Die Stromversorgung reicht bei Weitem nicht aus, um die Wasserversorgung, Abwassersysteme sowie Klär- und Entsalzungsanlagen in Gang zu halten“, erklärt Honauer.
Im Einsatz gegen die Pandemie
Für unser Team vor Ort haben die Präventionsmaßnahmen gegen die Ausbreitung von COVID-19 allererste Priorität. Wir verteilen Wasser- und Hygiene-Kits, insbesondere bei den am stärksten gefährdeten Haushalten, und stellen Schutzmaterialien und Desinfektionsmittel in lokalen Institutionen und Behörden bereit. Parallel dazu stärken wir die Wasser- und Abwassersysteme in einigen Gemeinden.
Aktion gegen den Hunger ist eine der aktivsten humanitären Organisationen in den Palästinensischen Autonomiegebieten. Wir arbeiten seit 2002 im Westjordanland und seit 2005 im Gazastreifen. Unsere Tätigkeiten umfassen Nahrungsmittelversorgung, Behandlung von Mangelernährung, Wasser- und Sanitärversorgung und die Bereitstellung von Notunterkünften. Mit einem Team von 67 humanitären Fachkräften hat unsere Hilfe im Jahr 2019 150.000 Menschen erreicht.