Globale Hungerkrise eskaliert: Staats- und Regierungschefs weltweit müssen jetzt handeln
17 Prozent mehr Menschen könnten 2022 auf humanitäre Hilfe angewiesen sein
Der Hunger auf der Welt ist im Vormarsch. Anlässlich der Vorstellung des „Global Humanitarian Overview 2022“ fordern 120 Nichtregierungsorganisationen, darunter Aktion gegen den Hunger und Save the Children, in einem offenen Brief Staats- und Regierungschefs weltweit auf, mehr zu tun, um die verheerende globale Hungerkrise zu stoppen. Eine aktuelle Analyse der Vereinten Nationen zeigt, dass die Zahl der Menschen, die im Jahr 2022 auf humanitäre Hilfe angewiesen sein werden, um 17 Prozent steigen könnte.
In dem heute veröffentlichten „Global Humanitarian Overview 2022“ (GHO) warnt das Amt der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (UN OCHA), dass im kommenden Jahr 274 Millionen Menschen auf humanitäre Hilfe angewiesen sein könnten, weil die Welt derzeit mit der schlimmsten Hungerkrise dieses Jahrhunderts kämpft. Im Jahr 2021 waren 235 Millionen auf humanitäre Hilfe angewiesen, 2020 168 Millionen Menschen.
Eine der Hauptursachen für den enormen Bedarf an humanitärer Hilfe ist die unsichere Ernährungssituation. Die Zahl der von einer Hungersnot bedrohten Menschen ist seit Beginn der COVID-19-Pandemie um 60 Prozent gestiegen. Derzeit sind schätzungsweise 45 Millionen Menschen in 43 Ländern konkret von einer Hungersnot bedroht. Im Jahr 2019 waren es noch 27 Millionen.
Aktion gegen den Hunger und Save the Children haben gemeinsam mit anderen Organisationen - darunter fast 100 lokale Organisationen in stark von Hunger betroffenen Ländern - in einem offenen Brief an die Staats- und Regierungschefs der Welt appelliert, 41 Milliarden Dollar für humanitäre Maßnahmen zur Bekämpfung des Hungers zur Verfügung zu stellen, um Hungersnöte weltweit zu verhindern und die Notsituationen anzugehen, die den Hunger in der Welt anheizen: Konflikte, die Klimakrise und die COVID-19-Pandemie.
Frauen und Mädchen sind unverhältnismäßig stark von Hunger und Unterernährung betroffen. Dadurch sind sie einem erhöhten Risiko extremen Hungers und geschlechtsspezifischer Gewalt ausgesetzt. Kinder gehören zu den am stärksten gefährdeten Gruppen - weltweit sind über 45 Millionen Kinder von akuter Unterernährung betroffen, die zu etwa 45 Prozent der Todesfälle bei Kindern unter 5 Jahren beiträgt.
Mike Bonke, der Landesdirektor von Aktion gegen den Hunger in Afghanistan, sagt:
„In den über 15 Jahren, in denen ich in der Entwicklungszusammenarbeit und humanitären Hilfe tätig bin, kann ich mich nicht erinnern, dass die humanitäre Lage so düster aussah. In mehreren Ländern drohen Hungersnöte, und doch hat man das Gefühl, dass die führenden Politiker der Welt nur von der Tribüne aus zusehen. In Afghanistan haben wir bereits Wartelisten in einigen unserer Krankenstationen für Unterernährung, und diese Situation wird sich mit dem Wintereinbruch und den schwindenden Nahrungsmittelvorräten nur noch verschlimmern. Der Bedarf vor Ort ist nach wie vor astronomisch, und ich sage einen sehr harten Winter voraus."
Und Tatiana Dasy, die Programmdirektorin von Save the Children für Madagaskar, sagt:
„Im Süden Madagaskars ist das Gespenst des Hungers allgegenwärtig. Die Eltern leben von so gut wie nichts und verkaufen alles, was sie können, nur um ihren Kindern eine Portion Süßkartoffeln oder Reis zu geben. Manchmal, wenn es nichts zu essen gibt, pflücken die Familien Blätter und Kaktusfrüchte. Dies ist die schlimmste Hungerkrise in Madagaskar seit 40 Jahren. Die UNO spricht von der weltweit ersten klimabedingten Hungersnot, und da sich die Klimakrise weiter verschärft, wird diese Situation wahrscheinlich nur noch schlimmer werden. Niemand sollte so leben müssen, vor allem nicht im 21. Jahrhundert, und schon gar nicht Kinder.
Der neue UN-Bericht, der heute veröffentlicht wurde, zeigt uns, dass die entsetzliche Situation in Madagaskar leider kein Einzelfall ist. Wir befinden uns mitten in einer eskalierenden globalen Hungerkrise, die zeigt, wie dringend die Weltgemeinschaft handeln muss. Die humanitären Organisationen haben nur die Hälfte der Mittel erhalten, die notwendig sind, um eine Hungersnot in Madagaskar und fünf anderen Ländern mit höchster Priorität abzuwenden. Dies ist beschämend und unverzeihlich, und die führenden Politiker der Welt müssen jetzt handeln, um die Menschen in Madagaskar vor dem Abgrund zu retten und unseren Kindern eine Zukunft zu sichern.“
Der offene Brief und die vollständige Liste der Unterzeichnenden findet sich hier. Der Global Humanitarian Overview 2022 ist hier verfügbar.