Auf dem Welternährungsgipfel (englisch: Food Systems Summit) der Vereinten Nationen im September 2021 wurde diskutiert, wie Lebensmittel weltweit produziert, verarbeitet und konsumiert werden. Ziel des Gipfels war es, durch die Transformation dieser Ernährungssysteme beizutragen, die Ziele für nachhaltige Entwicklung zu erreichen. Aktion gegen den Hunger kritisiert zusammen mit vielen weiteren Akteur*innen weltweit, dass der Gipfel von wirtschaftlichen Interessen dominiert wird – zulasten der Menschen, die schon heute besonders häufig an Hunger leiden und von lokalen Kleinbäuer*innen.
Agrarindustrie versus Agrarökologie
Am Anfang der Debatte um die Transformation der Ernährungssysteme steht die Überlegung, wie eine stetig wachsende Weltbevölkerung auch in Zukunft mit ausreichend Lebensmitteln versorgt werden kann. Heute, zwei Jahre nach dem Gipfel, leiden 733 Millionen Menschen an Hunger – wie also kann eine Transformation der Ernährungssysteme zu einer größeren globalen Ernährungssicherheit beitragen? Bei der Beantwortung dieser Frage stehen sich vereinfacht gesagt zwei Lager gegenüber:
Zum einen die Befürwortenden einer industriellen Landwirtschaft, die durch den Einsatz von Technologie, Gentechnik und chemischen Pestiziden und Düngemitteln die landwirtschaftlichen Erträge steigern und Verluste minimieren wollen.
Auf der anderen Seite stehen die Verfechtenden der Agrarökologie, die auf ökologische und regenerative Ansätze in der landwirtschaftlichen Produktion setzen und die durch eine Vielzahl von kleinbäuerlichen Betrieben weltweit die lokale Ernährungssouveränität steigern wollen.
Aktion gegen den Hunger fördert bereits jetzt aktiv agrarökologische Projekte:
Die industrielle Agrarwirtschaft: Ein kaputtes Ernährungssystem
Kritiker*innen der industriellen Land- und Viehwirtschaft beanstanden, dass das agroindustrielle Ernährungssystem mehr soziale und ökologische Probleme schafft, als es löst. Denn im Zentrum dieser Form der Landwirtschaft steht neben der Massentierhaltung der Anbau von Monokulturen, die mit einem massiven Einsatz von Chemikalien und langen, globalisierten Produktions- und Verarbeitungsketten einhergeht. Einige der negativen Folgen sind zum Beispiel:
- der starke Rückgang von Biodiversität und Bodenmikroorganismen,
- Entwaldung,
- ein hoher Ausstoß von Treibhausgasen wie CO2 und Methan,
- Land- und Ressourcenraub,
- die Ausbeutung von Arbeitskräften und
- die Marktdominanz gegenüber kleinbäuerlichen Strukturen.
Kritisiert wird außerdem, dass diese negativen Folgen der Agrarindustrie nicht ausreichend anerkannt werden. Der Vorwurf: Die internationale Agrarpolitik hofiert die Interessen der wirtschaftsstarken multinationalen Agrarunternehmen und stellt Profite vor sozial und ökologisch nachhaltige Ernährungssysteme.
Der Welternährungsgipfel: wichtig, aber problematisch
Auch beim Food Systems Summit dominieren die Interessen der industriellen Agrarwirtschaft – obwohl in vielen Teilen der bis zu 70 Prozent aller Nahrungsmittel in kleinbäuerlichen Betrieben erzeugt wird.
Der Gipfel hat bereits in der Vorbereitung versäumt, den Frauen, Männern und jungen Menschen ausreichend Platz am Verhandlungstisch einzuräumen, die für andere Formen der Landwirtschaft stehen sowie diejenigen anzuhören, die bereits heute mit Ernährungsunsicherheit konfrontiert sind. In der gegenwärtigen Form reflektiert der Welternährungsgipfel nicht die Vielfalt der globalen Ernährungssysteme und ihre zentrale Rolle in der Identität und Kultur beispielsweise von Kleinbäuer*innen und Indigenen.
Konkret konzentriert sich der Gipfel beispielsweise überproportional auf technologische Ansätze und Datenerhebung in der Landwirtschaft. Einige neue Technologien haben jedoch ihre Relevanz für Kleinbäuer*innen bisher nicht bewiesen. Anstatt agrarökologische Alternativen zur industriellen Landwirtschaft zu diskutieren, beschäftigt sich der Gipfel mit einem gezielteren und somit „verträglicheren“ Einsatz von Pestiziden und Co. und bedient damit die wirtschaftlichen Interessen der Agrarindustrie und den Herstellenden von landwirtschaftlichen High-Tech-Maschinen, Saatgut und Pestiziden.
Bereits zum Vorgipfel im Juli hat Aktion gegen den Hunger die Ausrichtung des Welternährungsgipfels auf multinationale Unternehmen kritisiert.
Vom Welternährungsgipfel fordern wir, Vertreter*innen der Agrarökologie eine stärkere Stimme zu geben und agrarökologische Ansätze ins Zentrum der Ernährungssysteme der Zukunft zu stellen. Nur so können die sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Ziele für nachhaltige Entwicklung erreicht werden.
Agrarökologische Anbaumethoden ermöglichen es den Kleinbäuer*innen, sich an die durch den Klimawandel veränderten Umweltbedingungen anzupassen.