Das Dorf Rekhamari im Bezirk Khulna in Bangladesch wird bald unter Wasser stehen. Wie überall im Land sind auch hier die Folgen des Klimawandels bereits spürbar. Sohanur Rahman, Sprecher der Jugend-Klimainitiative Red Alert Campaign und ein guter Freund, erzählte mir von seiner herzzerreißenden Begegnung mit einer alten Frau aus Rekhamari. Wie der Rest des Dorfes wird auch sie ihre Heimat durch die Erosion der Flussufer verlieren. Bei seinem jüngsten Besuch in Rekhamari fragt Sohan sie: „Wie geht es dir?“. Die alte Frau antwortet mit einem Lächeln. Er fragt sie erneut: „Warum lächelst du?“. Die Frau antwortet: „Was soll ich sonst tun, niemand ist hier, der uns zuhört oder uns unterstützt, bald werde ich alles verlieren, was ich habe.“ Überall im Land sehen wir Millionen solcher „Lächeln“, aber hinter jedem dieser Gesichter verbirgt sich eine Geschichte von Angst, Verzweiflung, Wut und einem Gefühl der Hilflosigkeit.
Weltklimakonferenz: COP28 in Dubai
Wenn ich nächste Woche zur 28. Weltklimakonferenz in Dubai reise, möchte ich für die Millionen Kinder, Frauen und Männer mit solchen Erfahrungen sprechen, die bereits heute unter den Folgen der Klimakrise leiden. Bangladesch ist eines der am stärksten vom Klimawandel betroffenen Länder der Welt [1]. Allein dieses Jahr wurde das Land von drei Zyklonen heimgesucht (so viele wie nie zuvor!) – und während ich diese Zeilen schreibe, braut sich im Golf von Bengalen ein weiterer Wirbelsturm zusammen. Durch den steigenden Meeresspiegel stehen viele Städte an der Küste regelmäßig unter Wasser. Immer heftigere Regenfälle überfluten Felder und Weidegründe – und zerstören die Lebensgrundlagen der Bevölkerung. Schätzungen zufolge wird in Bangladesch bis 2050 einer von sieben Menschen wegen der Klimakrise auf der Flucht sein [2].
Die bangladeschische Regierung hat bei weitem nicht genügend finanzielle Ressourcen, um allen betroffenen Menschen in ihrer Not zu helfen. Ganz abgesehen davon, welche Investitionen es bräuchte, um sich gegen zukünftige Klimaschäden zu wappnen, den Katastrophenschutz auszubauen und auf eine klimaresistente Landwirtschaft umzustellen. Dabei geht es Bangladesch wie vielen Ländern im Globalen Süden. Sie gehören zu den Menschen, die die katastrophalen Folgen der Klimakrise am allerstärksten spüren, obwohl sie nur einen Bruchteil zu den globalen Emissionen beitragen. Das ist nicht gerecht!
Zugang zu Klimafinanzierung für den Globalen Süden verbessern
Das im Rahmen von multilateralen Klimaverhandlungen vereinbarte Ziel von 100 Milliarden US-Dollar pro Jahr für die internationale Klimafinanzierung wurde wiederholt verfehlt. Dadurch verzögern sich wichtige Maßnahmen zur Abschwächung der Klimakrise und zur Anpassung an den Klimawandel – und das Vertrauen zwischen den Parteien schwindet. Auch wenn Deutschland dieses Jahr mit 6 Milliarden US-Dollar einen großen Anteil der globalen Klimafinanzierung trägt, kann sich die Bundesregierung darauf nicht ausruhen. Auch wenn die OECD-Länder kürzlich endlich verkündeten, dass das Ziel von 100 Milliarden erreicht wurde, ist diese Zahl angesichts des wachsenden Bedarfs und des kollektiven Versagens der reichen Nationen, rechtzeitig zu handeln, nicht mehr gültig. Schließlich müssen die versäumten Beiträge und der Vertrauensverlust der letzten Jahre kompensiert werden – um Fortschritte bei den Verhandlungen über einen fairen und schnellen Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen zu ermöglichen.
Zudem muss der Zugang zur Klimafinanzierung für den Globalen Süden einfacher werden. Die am stärksten gefährdeten Bevölkerungsgruppen tragen die Hauptlast der Verluste und Schäden, die durch die Klimakrise entstehen – und gerade in diesen Gemeinschaften kommen die globalen finanziellen Mittel oft gar nicht an. Das muss sich ändern. Es müssen mehr Klimamittel in direkter Zusammenarbeit mit der lokalen Zivilgesellschaft umgesetzt werden – denn die Expert*innen vor Ort können oft am besten entscheiden, welche Lösungen und Innovationen für den jeweiligen Kontext passen. Sie sollten dabei unterstützt werden, den Zugang zu Frühwarnsystemen und Anpassungsmaßnahmen zu erhalten.
Dazu gehört auch die Umsetzung des im letzten Jahr beschlossenen Fonds für klimabedingte Schäden und Verluste. Seit der letzten Klimakonferenz wird verhandelt, welche Länder wieviel Geld einzahlen und welche betroffenen Staaten wieviel bekommen – ein langwieriger Prozess. Dabei ist das Thema dringend und die Mittel werden eher heute als morgen benötigt! Deutschland sollte hier viel entschiedener als Vorbild vorangehen und ein starkes Angebot an die betroffenen Gemeinschaften machen. Ganz wichtig ist dabei: Die Verwaltung des Fonds für Schäden und Verluste muss auf den Grundsätzen der Gleichheit, Inklusion und Gerechtigkeit beruhen, sodass die ärmeren und am wenigsten entwickelten Länder einen einfachen Zugang zu dem Fonds bekommen.
Klimaresistente Ernährungssysteme stärken
Für viele Menschen weltweit ist die Klimakrise in erster Linie eine Hungerkrise. Hitzewellen, Dürreperioden, Überschwemmungen nehmen zu – und zerstören Felder, Ernten und Wasserquellen. Bis 2050 werden durch die Klimakrise bis zu 80 Millionen Menschen weniger zu essen auf dem Tisch haben [3]. Und unsere Nahrungsmittelproduktion selbst trägt massiv zur Klimakrise bei: Die globalen Ernährungssysteme verursachen derzeit einen Drittel der Treibhausgasemissionen [4]. Dabei gibt es nachhaltige Alternativen: Ansätze wie die Agrarökologie und Ernährungssouveränität bieten einen Weg, die Widerstandsfähigkeit von Gemeinschaften mit Nachhaltigkeit und sozialer Gerechtigkeit in Einklang zu bringen – und zwar durch eine diversifizierte, lokale und ökologische Produktion.
In Bangladesch betreuen wir von Aktion gegen den Hunger ein Programm, das Landwirt*innen dabei unterstützt, in überschwemmten Gebieten ihre Landwirtschaft neu aufzustellen. Mit unseren Schulungen helfen wir Bäuer*innen beim Wiederaufbau zerstörter Anbauflächen und vermitteln innovative agrarökologische Methoden. Wir legen Teiche zum Auffangen von Wasser an und bauen Deiche zum Schutz vor Überschwemmungen. Das Obst und Gemüse wird an den Teichufern, auf den Deichen und auf Gittern auf der Wasseroberfläche angebaut. Durch unser Projekt sind die Erträge der Landwirt*innen in der Region deutlich angestiegen [5].
Positive Beispiele wie dieses müssen in Dubai unbedingt thematisiert werden, wenn die Regierungen über Klimaschutzmaßnahmen in der Landwirtschaft sprechen! Deutschland sollte sich dafür einsetzen, dass die Agrarökologie auf dieser Klimakonferenz als eigenständiger und vorrangiger Ansatz beim Klimaschutz und der Klimaanpassung diskutiert wird.
Unsere Arbeit zeigt: Wir können etwas verändern. Gemeinsam mit vom Klimawandel betroffenen Gemeinschaften finden wir jeden Tag neue Wege, um in der sich verändernden Umwelt zu leben. Doch um diese Anpassung schnell genug überall auf der Welt umzusetzen, brauchen wir einen gemeinsamen politischen Willen und die Bereitstellung der nötigen Ressourcen. Wir müssen unsere Anstrengungen zur Anpassung an den Klimawandel verdoppeln. Konkret heißt das: Wir müssen die finanziellen Mittel verdoppeln, denn die derzeitigen Finanzmittel für die Anpassung reichen nicht aus. Wir sind verpflichtet, Menschen wie im Dorf Rekhamari zu helfen – und das geht nur gemeinsam. Deutschland und die anderen Verursacherstaaten haben hier eine entscheidende Verantwortung. Auf dieser Klimakonferenz in Dubai könnten sie den entscheidenden Grundstein dafür legen.
Von Mohammad Akmal Shareef, Landesdirektor von Aktion gegen den Hunger Bangladesch. Er ist seit August 2022 in dieser Funktion tätig. Seit 25 Jahren arbeitet er in der Entwicklungszusammenarbeit und ist an zahlreichen Initiativen auf regionaler und globaler Ebene beteiligt, um Gerechtigkeit und Menschenrechte für marginalisierte Bevölkerungsgruppen zu fördern.
[1] Eckstein, D.; Künzel, V.; Schäfer, L. (2021): Global Climate Risk Index 2021. Who suffers Most from Extreme Weather Events? Weather-related Loss Events in 2019 and 2000-2019: https://www.germanwatch.org/en/19777
[2] Md. Arif Chowdhury, Md. Khalid Hasan, Md. Robiul Hasan, Tahmina Bintay Younos (2020): Climate change impacts and adaptations on health of Internally Displaced People (IDP): An exploratory study on coastal areas of Bangladesh: https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S2405844020318612
[3] siehe Sixth Assessment Report der IPCC (2023): https://www.ipcc.ch/report/sixth-assessment-report-cycle/
[4] siehe “Special Report on Climate Change and Land” des IPCC, Summary for Policymakers (2019): https://www.ipcc.ch/srccl/chapter/summary-for-policymakers/
[5] Rahman, M.M.; Chakraborty, T.K.; Al Mamun, A.; Kiaya, V. (2023): Land- and Water-Based Adaptive Farming Practices to Cope with Waterlogging in Variably Elevated Homesteads“, in Sustainability 2023, 15, 2087: https://doi.org/10.3390/su15032087