Hunger: Zahlen und Fakten
Nachdem über Jahre große Erfolge bei der Bekämpfung von Hunger zu verzeichnen waren, ging der Trend einige Jahre wieder in eine andere Richtung. Im Jahr 2023 ging der Hunger weltweit insgesamt wieder etwas zurück – doch nicht überall. Insgesamt litten bis zu 733 Millionen Menschen an Hunger – das ist jeder elfte Mensch auf der Welt. Während die Zahlen in Asien stabil blieben und in Lateinamerika und der Karibik etwas gesunken sind, steigt der Hunger in Afrika weiter an. Dort hungert jeder fünfte Mensch: 20,4 Prozent der gesamten afrikanischen Bevölkerung haben nicht genug zu essen – insgesamt sind das 298,4 Millionen Menschen. In Asien sind es 8,1 Prozent – 284,5 Millionen Menschen –, in Lateinamerika und der Karibik 6,2 Prozent (41 Millionen) und in Ozeanien 7,3 Prozent (3,3 Millionen).
Besonders die Kleinsten zahlen einen hohen Preis: Der Anteil unterernährter Kinder unter 5 Jahren beträgt fast 148 Millionen. 45 Millionen Kinder sind akut unterernährt und benötigen dringend Hilfe. Die Schwere der Lage verdeutlicht sich, wenn man die Zahlen prozentual betrachtet: 22,3 Prozent aller Kinder weltweit sind chronisch unterernährt und leiden unter Wachstumsverzögerungen, 6,8 Prozent sind von akuter Unterernährung betroffen.
Bis 2030 könnten voraussichtlich noch immer 582 Millionen Menschen an Hunger leiden. Dabei wurde 2015 das Ziel ausgesprochen, den Welthunger bis dahin zu beenden. Grund für diese Zahl sind auch die noch immer anhaltenden Auswirkungen von COVID-19. Hinzu kommen Kriege und Konflikte sowie die Auswirkungen der Klimakrise als aktuell größte Treiber von Hunger.
Das Recht auf Nahrung ist ein fundamentales Menschenrecht und in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und weiteren Pakten und Konventionen fest verankert. So soll jeder Mensch über Zugang zu angemessener Nahrung verfügen oder die Möglichkeit haben, sich Nahrung zu beschaffen. Leider klaffen Anspruch und Wirklichkeit hier viel zu weit auseinander: In einer Welt, in der genug Essen für alle produziert wird, können sich 2,33 Milliarden Menschen kein gesundes Essen leisten. 28,9 Prozent der Weltbevölkerung leiden damit immer wieder an Ernährungsunsicherheit – das ist fast ein Drittel! Das Ziel „Kein Hunger“, das in den 17 Zielen für eine nachhaltige Entwicklung in der Agenda 2030 festgelegt ist, rückt in weite Ferne:
Ursachen: Warum hungern Menschen?
Weltweit hungern rund 733 Millionen Menschen. Warum? Die Gründe und Ursachen für Hunger sind vielschichtig, bedingen einander und hängen oftmals eng miteinander zusammen.
- Armut: Wer unter extremer Armut leidet und wem weniger als 1,90 US-Dollar am Tag zur Verfügung steht, hat äußerst eingeschränkte Möglichkeiten, für sich und seine Familie Nahrung zu kaufen. Armut ist ein Teufelskreis, in dem sich Ursachen und Folgen gegenseitig bedingen. Ein schlechter Gesundheitszustand, körperliche Beeinträchtigungen, mangelnde Bildung, kein Land und kaum finanzielle Mittel greifen wie Zahnräder ineinander und enden für die Betroffenen in einem Leben in Armut. Hunger und Armut hängen unmittelbar miteinander zusammen.
- Kriege, Konflikte & Flucht: Kriege und Konflikte haben direkte Auswirkungen auf eine gesicherte Lebensmittelversorgung, da sie Landwirtschaft und Nahrungsmittelproduktion erheblich erschweren oder sogar unmöglich machen. Durch die Eskalation der Gewalt zur Flucht gezwungen lassen Menschen häufig ihre Felder und Geschäfte zurück und verlieren ihre Lebensgrundlage. Gleichzeitig wird auf den verlassenen Feldern nichts mehr angebaut und erwirtschaftet, sodass die Nahrungsmittel immer knapper werden und auch die verbliebenen Menschen sich nicht mehr ausreichend ernähren können oder es wird durch Konflikte nichts mehr aus den betroffenen Ländern ausgeführt. In der Konsequenz steigen die Preise für Nahrung in schwindelerregende Höhe. Hinzu kommt, dass Handelswege unsicher werden und es somit erschwert wird, Nahrungsmittel zu beziehen.
- Corona-Pandemie: Die globalen Auswirkungen von COVID-19 sind verheerend. Die notwendigen Einschränkungen zur Eindämmung der Pandemie haben zu massiven Ernte- und Einkommensverlusten geführt. Dadurch sind viele Menschen noch tiefer in eine Notlage gerutscht. Felder lagen brach und konnten nicht bestellt werden. So fehlt nicht nur die Ernte, das Obst und Gemüse auf den Tellern der Menschen, sondern auch das Geld aus dem Verkauf.
- Klima & Naturkatastrophen: Die Anzahl der Naturkatastrophen, die in Zusammenhang mit dem Klimawandel stehen, hat deutlich zugenommen. Die Auswirkungen sind dramatisch: Lange Dürreperioden, Stürme und Überschwemmungen beschädigen oder zerstören Ernten, Weide- und Anbauflächen, wodurch die Versorgung mit Nahrung für viele Menschen extrem gefährdet ist. Durch die Verknappung der Nahrung steigen die Preise. Sich verändernde klimatische Verhältnisse wie die Verschiebung von Trocken- und Regenzeiten oder kleinere Niederschlagsmengen stellen die Menschen vor große Herausforderungen.
- Nahrungsmittelpreise, Spekulationen & Handelsstrukturen/Märkte: Durch ungerechte Wertschöpfungsketten und instabile Preise auf den Weltmärkten wird vor allem den ärmsten Teilen der Bevölkerung ein dauerhafter Zugang zu Nahrung verwehrt/extrem erschwert. Denn wenn die Preise für Lebensmittel explosionsartig in die Höhe schnellen und Menschen für ihre Arbeit zu niedrig entlohnt werden, wird Essen für viele Menschen unbezahlbar und Hunger ist die logische Konsequenz. Dass Länder ihre eigenen Exporte aus dem Agrarsektor durch Subventionen erschwinglicher machen und ihren eigenen Markt zugleich durch Zölle abschirmen, verschärft die Situation zusätzlich und hemmt wichtige Entwicklungen.
- Investitionsbedarf in Landwirtschaft: Ist die landwirtschaftliche Infrastruktur (Bewässerungssysteme, Bewirtschaftungsmethoden, Lagermöglichkeiten) defizitär, hat das negative Auswirkungen auf die Ernährungssicherung der Bevölkerung. So würden Investitionen in resistentes Saatgut, effizientere Bewässerung etc. große Wirkung zeigen und Hunger reduzieren.
Neben den genannten Gründen und Ursachen sind schlechte Regierungsführung, Landgrabbing (Investoren eignen sich Landflächen an, ohne auf die Bedürfnisse der Bevölkerung Rücksicht zu nehmen), ungerechte Lieferketten und der Anstieg des Fleischkonsums, durch den mehr Nahrung an Nutztiere verfüttert wird, Ursachen dafür, dass Menschen nicht über ausreichend Nahrung verfügen.
Rund 733 Millionen Menschen leiden an Hunger. Die Mehrheit der Hungernden leben in Ländern des Globalen Südens.
2,33 Milliarden Menschen weltweit können sich kein gesundes Essen leisten.
Alle 13 Sekunden stirbt ein Kind an den Folgen von Hunger. Zudem sind 22,3 Prozent aller Kinder auf der Welt chronisch unterernährt.
Definition: Was ist Hunger?
Akuter und chronischer Hunger
Hunger ist ein subjektives Empfinden, das durch Nahrungsentzug verursacht wird und mit dem starken Verlangen nach etwas zu essen einhergeht. Hungern heißt also: Weniger zu essen zu haben, als täglich benötigt wird. Von akutem Hunger spricht man, wenn Menschen durch Kriege oder Katastrophen über einen begrenzten Zeitraum Hunger leiden. Ist dieser Zustand dauerhaft, spricht man von chronischem Hunger.
Qualitative und quantitative Mangelernährung
Menschen, die unter qualitativer Mangelernährung leiden, auch verborgener oder englisch hidden Hunger genannt, ernähren sich zu einseitig und es fehlt ihnen an lebensnotwendigen Mikronährstoffen wie Vitaminen, Eisen, Proteinen, Jod und Zink. Eine quantitative Mangelernährung kann sich sowohl in Unter- als auch in Überernährung äußern. Überernährung tritt auf, wenn mehr Nahrungsenergie aufgenommen wird, als der Körper benötigt. Bei Unterernährung mangelt es an Nahrung und die Betroffenen sind aufgrund einer zu geringen Energieaufnahme nicht in der Lage, ihr Gewicht zu halten.
Formen von Unterernährung
Es wird zwischen verschiedenen Formen von Unterernährung bei Kindern unterschieden:
- Chronische Unterernährung (Stunting): Durch eine dauerhafte Unterversorgung mit Nährstoffen kommt es zu Wachstumsstörungen. Das Kind ist für sein Alter zu klein. Stunting geht oftmals mit einer verzögerten motorischen und einer Beeinträchtigung der geistigen Entwicklung, schlechter Schulleistung und einer hohen Anfälligkeit für Krankheiten einher.
- Akute Unterernährung (Wasting): Durch unzureichende Nahrungsaufnahme oder Krankheiten ist das Kind zu leicht für seine Größe. Die Funktionalität des Immunsystems ist extrem beeinträchtigt, wodurch das Risiko für Erkrankungen sehr hoch ist. Oftmals verschlechtert sich der Ernährungszustand über einen kurzen Zeitraum. Bei akuter Unterernährung wird zudem in moderate akute und in schwere akute Unterernährung unterschieden.
- Untergewicht: Das Kind ist für sein Alter und sein Geschlecht zu leicht. Untergewicht kann sowohl mit Stunting, Wasting oder mit beidem in Kombination einhergehen.
- Mikronährstoffmangel: Es mangelt an Mikronährstoffen wie Mineralstoffen und Vitaminen (Eisen, Zink, Vitamin A und Jod). Mikronährstoffmangel wird auch als „versteckter Hunger“ bezeichnet.
Unser Kampf gegen den Hunger
Behandlung akuter Unterernährung
Ohne Behandlung droht schwer unterernährten Kindern und Erwachsenen der Tod. Nach Möglichkeit und Situation behandeln die Teams von Aktion gegen den Hunger die Betroffenen in Zusammenarbeit mit den Gemeinden ambulant vor Ort. Bei medizinischen Komplikationen erfolgt die Behandlung stationär.
Unser integrierter Ansatz
Zusammen mit den lokalen Gemeinden und Gesundheitsdiensten diagnostizieren die Teams von Aktion gegen den Hunger Mangelernährung, behandeln sie und beugen ihr vor. Früher wurden Jungen und Mädchen, die unter schwerer akuter Unterernährung litten, ausschließlich in stationären Intensiveinrichtungen – sogenannten therapeutischen Ernährungszentren – behandelt. Diese Einrichtungen ähneln einem Krankenhaus und erfordern, dass Kind und Eltern über den Zeitraum der Behandlung vor Ort sind. Dank der Entwicklung von therapeutischen Fertignahrungsmitteln ist mittlerweile auch eine ambulante Behandlung zu Hause möglich. Diesen Ansatz bezeichnen wir als „gemeindebasierte Behandlung akuter Mangelernährung“ (CMAM = community-based management of acute malnutrition). Medizinische Fachkräfte unterstützen dabei die örtlichen Gemeinden bei der Diagnose und Behandlung.
Therapeutische Fertignahrung
Als therapeutische Fertignahrung werden Pasten und Kekse auf Erdnussbasis bezeichnet, die aufgrund ihres hohen Nährstoff- und Proteingehaltes ein hervorragender Energielieferant sind. Diese sogenannte RUTF-Nahrung (RUTF = ready-to-use therapeutic foods) verringert das Risiko der Bakterienübertragung, da sie kein Wasser enthält. Zudem erfordert sie keine Kühlung und kann unmittelbar genutzt werden.
Der Kampf gegen Mangelernährung hat sich grundlegend verändert
Die gemeindebasierte Behandlung akuter Mangelernährung hat den Kampf gegen Mangelernährung von Grund auf verändert. Nun werden Kinder mit schwerer akuter Unterernährung auch in den entlegensten Regionen erreicht und es wird viel mehr Jungen und Mädchen geholfen. Das verringert die Kosten der Behandlung und hat den Vorteil, dass die Eltern nicht den Rest ihrer Familie temporär zurücklassen oder ihre Erwerbstätigkeit unterbrechen müssen. Darüber hinaus geben unsere Teams Schulungen, in denen Mütter und Vätern lernen, was bei der Ernährung und Pflege wichtig ist und wie sie einer Mangelernährung vorbeugen können. Aktion gegen den Hunger bildet auch Freiwillige in den Gemeinden aus, damit das Wissen über gute Ernährungspraktiken in den Gemeinden bleibt und weitergegeben wird.
Vorbeugung von Mangelernährung
Lebensgrundlagen
Unsere Programme im Bereich Lebensgrundlagen helfen Gemeinden und Familien, ihre Eigenständigkeit wiederzuerlangen und nachhaltige Nahrungsquellen aufzubauen.
Unsere Projekte sind vielfältig:
- Wir stellen Saatgut, Werkzeuge, Nutztiere und tierärztliche Dienste zur Verfügung.
- Wir unterrichten Methoden zur Verbesserung der landwirtschaftlichen Produktion
- Wir helfen Menschen, Kleinunternehmen zu gründen, damit sie eine sichere Einkommensquelle haben und ihre Familie ernähren können.
Wasser & Hygiene
Zum umfassenden Ansatz von Aktion gegen den Hunger gehört auch der Aufbau einer Trinkwasserversorgung und Abwasserentsorgung in ländlichen Gemeinden. Da viele dieser Gemeinden keinen Zugang zu sauberem Wasser und nur unzureichende sanitäre Einrichtungen haben, sterben weltweit jeden Tag tausende Kinder an Krankheiten wie Durchfall oder Cholera. Wir können Mangelernährung nicht erfolgreich bekämpfen, ohne die Krankheiten anzugehen, die als zusätzliche Risikofaktoren das Überleben der Schwächsten gefährden.
- In Notfallsituationen installieren wir zudem Handpumpen und Speicherbehälter.
- Damit sich Krankheiten nicht ausbreiten, verteilen wir Hygienesets mit Seife, Desinfektionsmittel und Masken und bauen Toiletten und Handwaschstationen.
- Da uns die Nachhaltigkeit unserer Arbeit wichtig ist, beziehen wir die Gemeinschaften vor Ort stets mit ein. So bilden wir etwa lokale Dorfkomitees aus, die sich anschließend eigenständig um die Wasser- und Abwasserinfrastruktur kümmern. Wir organisieren Gesundheitsteams, die anderen Dorfbewohner*innen den Umgang mit sanitären Einrichtungen und Hygienemaßnahmen vermitteln, auch nachdem wir das Gebiet schon verlassen haben.
- Zudem arbeiten wir nach Möglichkeit eng mit den zuständigen Gesundheitsministerien zusammen, um die Nachhaltigkeit unserer Programme sicherzustellen.
Öffentlichkeits- & Informationsarbeit
Aktion gegen den Hunger arbeitet oft in Ländern, in denen grundlegende Rechte der Bevölkerung verletzt werden: Die Menschen erhalten keinen oder nur eingeschränkten Zugang zu Nahrungsmitteln, Trinkwasser, Gesundheitsversorgung, Land und anderen Lebensgrundlagen. Um gegen diese Ungerechtigkeit vorzugehen, informieren wir die breite Öffentlichkeit über die vorhandenen Missstände und üben Druck auf Politiker*innen und Entscheidungsträger*innen aus. Dabei stellen wir sicher, dass unsere Neutralität bewahrt und die Sicherheit unseres Personals sowie der Zugang zu den betroffenen Bevölkerungsgruppen nicht gefährdet werden.
Quelle: SOFI-Report 2024