Bewaffnete Gruppen zwingen Zehntausende innerhalb von Mosambik zur Flucht. Die Lage in den Lagern ist prekär – und doch gibt es Erfolge.
Trotz seiner wertvollen natürlichen Ressourcen wie Gas ist Mosambik eines der ärmsten Länder des afrikanischen Kontinents. Seit 2017 ist die Provinz Cabo Delgado Schauplatz von Gewalt, die von IS-nahen Gruppen verübt wird. Diese Gewalttaten zwingen die Zivilbevölkerung in Küstenstädten wie Palma und Mocímboa Da Praia in die benachbarten Distrikte zu fliehen. Im äußersten Nordwesten von Cabo Delgado beherbergt der Distrikt Mueda eine große Anzahl von Vertriebenen, die von dort aus versuchen, sich ein besseres Leben aufzubauen. Nach den neuesten offiziellen Zahlen sind mindestens 70.000 Menschen von einer Gesamtbevölkerung von mehr als 200.000 in dem Distrikt Vertriebene, sowohl in Lagern als auch in den Dörfern, in denen sie von den Gemeinden aufgenommen werden.
Die auf dem Makondé-Plateau gelegene, gleichnamige Stadt Mueda nahe der Grenze zu Tansania ist geprägt von den Überresten des Massakers vom 16. Juni 1960, das eine der letzten Episoden des mosambikanischen Widerstands gegen die portugiesische Kolonialherrschaft vor dem Ausbruch des bewaffneten Kampfes für die nationale Befreiung darstellte. Dank ihrer geografischen Lage und der Anwesenheit umfangreicher nationaler und internationaler Sicherheitskräfte war diese geschichtsträchtige Stadt bisher ein sicherer Hafen der von Unsicherheit und häufigen Angriffen bewaffneter Gruppen geplagten Provinz Cabo Delgado. Deshalb und wegen ihrer Nähe zu den Angriffsgebieten ist Mueda eine Stadt, die eine große Anzahl von Vertriebenen beherbergt.
„Die Situation in Mueda ist sehr prekär. Die Menschen lassen sich in Lagern für Vertriebene, in provisorischen Unterkünften oder in Dörfern nieder, in denen die Verfügbarkeit grundlegender öffentlicher Dienstleistungen bereits begrenzt ist. Die Neuankommenden belasten die Lebensbedingungen der Aufnahmebevölkerung, indem sie die ohnehin schon schwachen Grundversorgungsdienste in der Region überlasten und die Verfügbarkeit von Nahrungsmitteln beeinträchtigen“, erklärt Anouk Renard, Feldkoordinatorin für Aktion gegen den Hunger in Mueda. „Vertriebene fliehen aus ihrer Heimatstadt, um in einem neuen Bezirk Zuflucht zu suchen, in dem sie keine stabile Einkommensquelle haben. Sie sind sehr oft darauf angewiesen, dass die lokalen Behörden ihnen Grundstücke zur Verfügung stellen, auf denen sie Nutzpflanzen anbauen, konsumieren und ihre eigenen Erzeugnisse verkaufen können.“
Aufgrund seiner abgeschiedenen und hoch gelegenen Lage hat der Distrikt Mueda mit starken Problemen beim Zugang zu Wasser zu kämpfen. Die Anwohnenden sind im Wesentlichen auf Regenwasser angewiesen, das nur sechs Monate im Jahr fällt. Die Gegend ist auch nicht immun gegen die Klimakrise. In den vergangenen Jahren hat der Niederschlag speziell in dieser Gegend zugenommen, während er in anderen Teilen Mosambiks tendenziell abnimmt. Infolgedessen werden die Felder oft überflutet, was dazu führt, dass viele Bäuer*innen ihre Ernte verlieren und die Preise für die knappen Lebensmittel steigen.
Um diesen großen humanitären Bedarf zu decken, hat Aktion gegen den Hunger (ACF) seit 2021 eine Basis in Mueda eröffnet. Mit einem Team von 75 Mitarbeitenden führt die Organisation eine integrierte Reaktion in den Bereichen Ernährungssicherheit und Lebensgrundlagen, Wasser, sanitäre Einrichtungen und Hygiene (WASH) sowie Gesundheit und Ernährung in Mueda und schwer zugänglichen Gebieten durch.
Aufbau eines neuen Lebens aus dem Vertriebenenlager heraus
Nach einer 45-minütigen Fahrt von der Stadt Mueda aus erreichten die Teams von Aktion gegen den Hunger das Lager Lianda für Vertriebene. Das Lager wurde im November 2021 eingerichtet und war ursprünglich für 1.000 Haushalte vorgesehen – heute beherbergt es 10.000 Menschen. Die kleinen, hintereinander aufgereihten Behausungen sehen alle gleich aus: Sie wurden aus Holz und Bambus gebaut und mit einer UNHCR-Plane abgedeckt. Eigentlich waren sie nur für einige Monate als vorübergehende Unterkünfte für Vertriebene gedacht, einige Familien leben nun schon seit mehreren Jahren dort.
So auch Ernestina Laurenco Estevao: Sie stammt aus dem Bezirk Nangade, eine Autostunde nördlich von Mueda, und musste wegen der bewaffneten Gruppen aus ihrem Zuhause fliehen. Vor drei Jahren ist sie im Lager Lianda zu ihren übrigen Familienmitgliedern zugestoßen, die bereits dort waren.
Ernestina ist eine der schutzbedürftigen Personen, die von der Unterstützung von Aktion gegen den Hunger profitiert hat, um ihr kleines Unternehmen, bekannt als Income Generating Activity, aufzubauen. Das ermöglicht es ihr, trotz ihrer prekären Situation eine stabile Einnahmequelle zu erschließen: Jetzt kann Ernestina auf dem Markt von Lianda Fisch verkaufen.
„Ich habe gehört, dass ACF Menschen registriert, die Unterstützung benötigen, und so wurde ich ausgewählt. Ich habe eine Schulung und ein Startpaket erhalten. Unter den aufgeführten Aktivitäten habe ich mich für den Fischverkauf entschieden. Dieser Job ermöglicht mir ein Minimaleinkommen, mit dem ich mir selbst ein wenig zu helfen kann, aber es deckt nicht alle meine Bedürfnisse“, erklärt sie. „Ich muss bis zur Küste bei Mocimboa fahren, um den Fisch zu bekommen, und das kostet mich viel Geld für den Transport. Mein Leben hier ist nicht jeden Tag einfach, ich habe nicht immer Zugang zu Wasser oder genug zu essen. Aber ich denke nicht daran, nach Hause zurückzukehren, weil ich mein Haus und mein Leben dort verloren habe und das bedeuten würde, wieder ganz von vorne anzufangen. Ich möchte hier mein Geschäft ausbauen, um meine Familie zu ernähren.“
Wie sie stammt auch John Cypriano aus dem Bezirk Nangade und lebt mit seinen drei Kindern und seiner Frau seit zwei Jahren im Lager Lianda. Er und seine Mutter wurden ebenfalls von Aktion gegen den Hunger bei der Einrichtung ihres kleinen Lebensmittelladens unterstützt. Sein schmales Zelt dient als Wohnung und Lebensmittelladen, in dem er Produkte wie Öl, Suppen und Süßigkeiten für Kinder verkauft.
Da viele Menschen in ihren Heimatregionen von der Landwirtschaft lebten, ist es nur natürlich, dass sie in ihr früheres Leben zurückkehren wollen. Aktion gegen den Hunger unterstützt Kleinbäuer*innen mit Saatgut sowie Werkzeugen und schult sie in nachhaltigen landwirtschaftlichen Praktiken, um ihre Produktion zu verbessern. Die Erträge werden sowohl für die Ernährung ihrer Familien als auch für den Verkauf verwendet, um ihnen den Lebensunterhalt zu sichern.
Diese Unterstützung im Lager Lianda ermöglicht es Menschen wie André Lourenco Sigalagaia, einem Bauern, andere in der Landwirtschaft auszubilden. André stammt aus Palma und floh 2020 mit seiner Familie nach Lianda. Er wurde von den Teams von Aktion gegen den Hunger ausgewählt, um als leitender Landwirt andere zu schulen und zu ermutigen, ihr eigenes Land zu bewirtschaften.
„Mit dem von Aktion gegen den Hunger bereitgestellten Saatgut können wir Süßkartoffeln, Mandeln, Maniok und so weiter anbauen, sowohl zum Verkauf als auch für den Eigenbedarf“, erklärt André. Im Rahmen des Projekts werden 46 Landwirt*innen im Lager Lianda geschult. „Ich selbst bilde neun Personen aus und ich liebe es, mein Wissen zu teilen und an andere weiterzugeben. Heute bleibe ich lieber hier und unterrichte weiter, das motiviert mich.“
Entlastung für die überfüllten Gesundheitszentren
Auf derselben Straße, die zum Lager Lianda führt, liegt das Gesundheitszentrum der Gemeinde Imbuo. Die Warteschlange ist an diesem Morgen im Juni nicht so lang wie sonst. Das liegt daran, dass der Tag mit der Anwesenheit der mobilen Klinik von Aktion gegen den Hunger zusammenfällt, die nur wenige Kilometer entfernt ist und den normalerweise schwer zu bewältigenden Bedarf im Gesundheitszentrum entlastet.
Schon vor dem Eintreffen von Vertriebenen im Distrikt war das Gesundheitssystem mangelhaft und überlastet. Heute müssen die wenigen vorhandenen Infrastrukturen, denen es an Ressourcen und qualifiziertem medizinischem Personal mangelt, mit einem steigenden Bedarf zurechtkommen. Um die öffentlichen Dienste zu unterstützen, besuchen mobile Teams von Aktion gegen den Hunger, die aus medizinischem Personal, Pflegepersonal und Ärzt*innen bestehen, zweimal im Monat mehrmals die Woche die abgelegensten Gemeinden, um Kinder unter fünf Jahren zu behandeln, die an akuter Mangelernährung leiden.
Bevor die Teams zu ihrer täglichen Arbeit in das Dorf aufbrechen, werden sie wie ein Uhrwerk organisiert. Zunächst machen sie einen ersten Halt im Gesundheitszentrum von Imbuo, um die für die Behandlung der Patient*innen benötigte Ausrüstung zu holen. Bei ihrer Ankunft in der Gemeinde erklären sie der örtlichen Bevölkerung, wie die Sprechstunden ablaufen werden, und teilen sich in die verschiedenen für den Tag geplanten Aktivitäten auf: Sprechstunden für Säuglinge mit Wiegen und Messen des Kindes, Sensibilisierung für das Stillen, sexuelle und reproduktive Gesundheit, Arztbesuche und psychische Nachsorge.
Madalena Geraldo lebt im Distrikt und gehört zu den nicht vertriebenen Menschen: Sie lebt mit ihrem Mann und ihren acht Kindern im Dorf Nandimba in der Nähe von Mueda. Mit ihrer neun Monate alten Tochter Yolanda ist sie zur mobilen Klinik in Imbuo gegangen. „Ich war jetzt schon zum vierten Mal in der mobilen Klinik, um meine Tochter untersuchen zu lassen. Meine Tochter war krank, und an ihrer Größe konnte ich erkennen, dass sie nicht zunahm und unter Wachstumsstörungen litt.”
Die Teams von Aktion gegen den Hunger konnten sie messen, wiegen und ihr die Behandlung geben, die sie brauchte. Tatsächlich betrug Yolandas Armumfang, gemessen mit dem Armumfangmesser, nach ihrer Konsultation mit den Krankenschwestern nur zehn Zentimeter, wobei der rote Bereich darauf hinweist, dass das Kind an schwerer akuter Unterernährung litt.
Neben mobilen Kliniken arbeitet Aktion gegen den Hunger auch direkt in Gesundheitszentren. „Wir arbeiten in fast allen Gesundheitszentren im Bezirk Mueda. Wir unterstützen sie durch die Schulung von Gesundheitspersonal und die Bereitstellung von Ausrüstung und medizinischem Material“, erklärt Anouk Renard. „Die Gesundheitszentren haben ein ernsthaftes Problem mit dem Zugang zu Wasser und sanitären Einrichtungen, die funktionsfähig sind. Wir unterstützen sie auch durch die Sanierung und den Bau von Wasserstellen, Latrinen und Systemen zur Entsorgung medizinischer Abfälle“.
Eine besorgniserregende Situation der Unsicherheit
Die Lage in Cabo Delgado wird immer instabiler. Die jüngsten Ereignisse zu Beginn des Jahres 2024, wie der Angriff auf die Stadt Macomia am 10. Mai, lassen eine Verschlechterung der Lage in der Region befürchten. Aufgrund der mangelnden Aufmerksamkeit für die Krise sind die internationalen Kontingente, die die Provinz seit 2021 stabilisieren, nun dabei, sich aus Mosambik zurückzuziehen, und folgen damit dem Beispiel von SAMIM (der Friedensmission der Entwicklungsgemeinschaft des südlichen Afrika), und machen so die Provinz Cabo Delgado umso anfälliger für Angriffe bewaffneter Gruppen.
Von anderen großen Krisen wie dem Krieg in der Ukraine, im Sudan und im Gazastreifen verdeckt, leidet Mosambik unter einem Mangel an Finanzmitteln von internationalen Gebern, was die Fähigkeit humanitärer Organisationen beeinträchtigt, auf alle Bedürfnisse zu reagieren. Bis zum 30. Mai 2024 waren nur 17 Prozent des Plans zur Deckung des humanitären Bedarfs im Jahr 2024 finanziert worden.