Nachdem schwere Überschwemmungen ihre Häuser zerstört hatten, wurde ein kleines Gebiet in Paguir im Südsudan zu einem Zufluchtsort für Hunderte von vertriebenen Familien.
Reis im Südsudan: Wie Menschen das Hochwasser nutzen lernten
Es ist erst wenige Jahre her, dass starke Regenfälle und über die Ufer tretende Flüsse die Felder im Bundesstaat Jonglei weggespült haben – Jahre, in denen die Bauern weder neu säen noch ernten konnten. Denn das Wasser fließt nicht ab. Familien hungern, viele Kinder sind stark mangelernährt. In ihrer Verzweiflung griffen viele auf den Verzehr von Wasserlilien zurück. Doch die Pflanzen sind zwar genießbar, aber leicht giftig – und für Kinder und ältere Menschen sowie Kranke nur in Maßen geeignet.
Joe Joe Zubahyea war entschlossen, den Familien dabei zu helfen, eine Lösung zu finden. Als Leiter des Büros von Aktion gegen den Hunger in Paguir ist er für die Umsetzung unserer Projekte in der Region verantwortlich. Er führte eine neue Anbautechnik ein, die das Wasser, das so viele Lebensgrundlagen zerstört hatte, optimal nutzen kann: den Reisanbau.
„Die erste Herausforderung bestand darin, die Menschen davon zu überzeugen, dass der Reisanbau etwas ist, was sie selbst in die Hand nehmen können“, sagt Joe Joe.
Schon bald löste Joe Joes Arbeit einen Dominoeffekt aus. Die Anwohner beobachteten seine Pflanzen sorgfältig – und irgendwann begannen die ersten, selbst die ersten Reispflanzen auf ihren Ackerparzellen zu pflanzen.
James Wuor, 50, mit dem Reis, den er zu Hause angebaut hat: „Normalerweise bauen wir Sorghum und Mais. Doch unsere Felder sind zu nass dafür“, sagt er. „Als ich den Reis sah, wuchs er im Wasser. Wir wissen nicht, wann die Überschwemmungen wieder weg sind, aber solange unsere Felder unter Wasser stehen und immer neues Wasser nachkommt, nutzen wir den Reis gerne, damit meine Kinder genug zu essen haben.
Lernen durch Handeln
James Wuor, ein 50-jähriger Landwirt, erzählt, dass er sich erst nicht getraut hat, sich dem Pflanzteam um Joe Joe anzuschließen. Stattdessen beobachtete und wartete er außerhalb der Reisfarm von Aktion gegen den Hunger. Nach einem Monat zahlten sich seine Beobachtungen aus: Er konnte seine Fähigkeiten einsetzen und selbst Reis anpflanzen.
James begann in seinem alten Garten zu pflanzen, der durch die Überschwemmungen zerstört worden war. Er war erstaunt, wie schnell der Reis in den Fluten gedieh.
James ist besonders dankbar, weil die Reisfarm nichts gekostet hat. Der Reis wächst im Wasser – und Wasser ist aufgrund der Überschwemmungen überall.
REIS ANBAUEN
Jahrelange Überschwemmungen haben dazu geführt, dass viele Menschen im Südsudan ihre Felder nicht mehr bestellen konnten und ihre Tierherden verloren haben. Aktion gegen den Hunger hat sie dabei unterstützt, eine neue Kulturpflanze anzubauen, der das Wasser zugute kommt: Reis hat ihr Leben verändert!
Es dauerte nicht lange, bis sich die neue Art der Landwirtschaft in ganz Paguir durchgesetzt hat. Obwohl er anfangs an sich selbst zweifelte, hörte der 40-jährige Bol Gatkuoth den Ausführungen und Erklärungen von Joe Joe geduldig zu – und begann zu handeln. Er pflanzte Setzlinge direkt in das Flutwasser, das auf sein Land gesickert war.
Heute wächst sein Reis üppig und grün und bringt ihm viel Ertrag. Bol hat sogar eine Methode erfunden, um diebische Vögel fernzuhalten, indem er Stroh abschneidet und die Reiskörner vom Schnittgut trennt. Für Bol sind die goldenen Reiskörner ein Symbol für seinen Erfolg und eine bessere Zukunft für Paguir.
„Reis ist etwas Neues in dieser Gegend“, erklärt Bol. „Ich musste lernen, damit umzugehen, um uns eine Zukunft zu ermöglichen. Dazu habe ich mir viel Zeit genommen, um zuzuschauen. So habe ich gemerkt, dass der Reis eine Möglichkeit birgt, die Überschwemmungen zu überleben.“ Bol ist voller Hoffnung angesichts der Aussicht, mehr Reis anzubauen.
Bol und James hoffen, ihre Farmen ausbauen zu können. Bald werden sie auch ihre Nachbar*innen im Reisanbau schulen, damit auch sie ihre eigenen Reisfarmen gründen können. Die Überschwemmungen im Südsudan nehmen kein Ende – aber die Reisbäuer*innen von Paguir wissen, dass ihr kreativer Funke eine neue Bewegung entfacht, die für Solidarität und Zusammengehörigkeit sorgt und andere inspiriert.
Frauen schreiben Geschichte
In Paguir packen alle mit an. Bisher baute Nyaok Dieng mit ihrem Mann und ihren Kindern Mais und Sorghum an. Doch als die Überschwemmungen kamen, litt ihre Familie. Das Hochwasser spülte all ihre Nahrungsquellen weg. Um ihre sieben Kinder vor dem Hunger zu retten, lernte Nyaok den Reisanbau.
„Reis wächst auch bei Überschwemmungen,“ sagt Nyaok. „Ich kann also trotz Hochwasser meine Parzelle anlegen, sie vorbereiten und die Fähigkeiten nutzen, die mir Aktion gegen den Hunger vermittelt hat.“
In der Gemeinde, in der Nyaok lebt, sollte der Reisanbau erst einmal nur eine Alternative sein. Doch er brachte insbesondere den Frauen auch Unabhängigkeit. Heute sind die Reisfarmen mehr als nur ein Stück Land – sie sichern den Lebensunterhalt vieler Frauen.
Zum ersten Mal besitzen und bewirtschaften Dutzende von Frauen ihre eigenen Farmen. Sie beherrschen die Kunst des Aussähens, der Vorbereitung von Baumschulen, des Verpflanzens und Erntens. Sie haben Selbstvertrauen in sich und ihre Fähigkeit zu wachsen – und sie haben etwas gelernt, das ihr Leben in Paguir zum Besseren verändern könnte.
Frauen pflanzen Reis in den überschwemmten Gebieten von Paguir, Südsudan. Der Reis wurde von Aktion gegen den Hunger nach drei Jahren anhaltender Überschwemmungen eingeführt, um die wachsende Hungerkrise in der Region zu bewältigen.
Viele der Frauen von Paguir sind aufgrund der Überschwemmungen hierher gezogen – zum Teil dank der neuen Wasserstraße in Paguir, mit der die Menschen das Hochwasser ebenfalls zu nutzen gelernt haben. Nyagai Malual kam im September 2021 an, nachdem sie drei Tage lang verzweifelt in einem kleinen Kanu zusammen mit ihren drei Kindern hergepaddelt war. In Paguir fielen ihr die blühenden Reisfelder auf – eine Kultur, die sie noch nie gesehen hatte.
Nyagai erkannte schnell, was für eine große Chance dieser Reis darstellte, und schloss sich dem bahnbrechenden Projekt als eine der ersten Teilnehmerinnen an.
Obwohl das Reisprojekt erst seit kurzer Zeit in Paguir besteht, hat es bereits die gesamte Gemeinde verändert. „Es ist harte Arbeit“, sagt Nyagai. „Aber selbst wenn wir von morgens bis abends auf dem Feld beschäftigt sind, werde ich nicht müde. Ich möchte und muss mehr Erfahrungen sammeln, um etwas für mich selbst zu erschaffen.“
Die Frauen bringen junge Reispflanzen aus der Baumschule aufs Feld, um sie dort einzupflanzen, damit sie wachsen und gedeihen und sie schon bald frischen Reis ernten können.