Ein Gespräch mit Mary Khozi, der Landesdirektorin von Aktion gegen den Hunger in Sambia
Nahezu 60 Prozent der Bevölkerung Sambias lebt unterhalb der Armutsgrenze. In dem Land im Süden Afrikas, gleich unterhalb der Demokratischen Republik Kongo, herrscht große Ungleichheit. Viele Menschen kämpfen täglich darum, sich und ihre Familien zu ernähren. In Sambia herrscht eine der schlimmsten Ernährungssicherungskrisen der Welt: 35 Prozent der Kinder unter fünf Jahren sind chronisch mangelernährt. Wenn eine Mutter merkt, dass ihr kleines Kind lebensbedrohlich mangelernährt ist, nimmt sie oft kilometerweite Wege zum nächsten Gesundheitszentrum auf sich.
Mangelernährung Sambia: Projekt soll vorbeugen
Aktion gegen den Hunger betreut Behandlungszentren in mehreren afrikanischen Ländern. Unsere Mitarbeitenden arbeiten jeden Tag hart daran, dass jedes Kind wieder gesund wird. Aber trotz der Notwendigkeit unserer Gesundheitszentren sollte von vornherein kein Kind einem gefährlichen Maß an Mangelernährung ausgesetzt sein.
Auch in Sambia ist es unser Ziel, eng mit den Gemeinden zusammenzuarbeiten, um ihre Widerstandsfähigkeit gegen Krisen jeglicher Art nachhaltig zu stärken. Wir wussten, wenn wir den Menschen helfen würden, ihre Ernährungsprioritäten zu erkennen und die Ernährungssicherheit zu verbessern, würden sie beginnen, in gemeinschaftsorientierte Ergebnisse zu investieren. So wurde „Seeds of Hope“ ins Leben gerufen.
Wir haben mit Mary Khozi, unserer Landesdirektorin in Sambia, über das Programm „Seeds of Hope“ und die Ziele für das kommende Jahrzehnt gesprochen.
Mary Khozi und das Team um „Seeds of Hope“ bei einem Besuch im Seeyi Camp in Senanga im März 2023.
Was ist „Seeds of Hope“?
Das Hauptaugenmerk von „Seeds of Hope“ liegt auf der Verhinderung von klimabedingtem Hunger. Während die Temperaturen weltweit steigen, sehen sich Länder in ganz Afrika mit beängstigenden Klimaschocks konfrontiert, von Sturzfluten bis hin zu mehrjährigen Dürren. Das Programm ist darauf ausgerichtet, diese Herausforderungen in den nächsten zehn Jahren zu bewältigen und den Gemeinden die Mittel an die Hand zu geben, die sie brauchen, um zu überleben. Im Wesentlichen nutzen wir klimagerechte Anpassung, konservierende Landwirtschaft und innovative lokale klimagerechte Netzwerke, um Hunger zu verhindern.
Wo in Sambia befindet sich „Seeds of Hope“?
Das Projekt „Seeds of Hope“ haben wir in der Westprovinz Sambias gestartet. Hier leben 82 Prozent der Menschen in Armut, die meisten sind von humanitärer Hilfe abhängig. Unsere Teams sind auf den Bauernhöfen der Gemeinden, auf dem Markt und in den Haushalten präsent, wo wir eng mit den Familien zusammenarbeiten und dauerhafte Beziehungen aufbauen wollen.
Woran werden wir erkennen, dass „Seeds of Hope“ eine nachhaltige Wirkung hat?
Wenn eine humanitäre Organisation ein Land verlässt, verfügen die Gemeinden, mit denen sie zusammengearbeitet hat, oft nicht über das Wissen oder die Fähigkeiten, das zuvor gestartete Programm weiterzuführen. „Seeds of Hope“ hingegen ist so konzipiert, dass es über Jahre hinweg mit den Gemeinden zusammenarbeitet, um dauerhafte Veränderungen zu bewirken und die Widerstandskraft zu stärken. Wir hoffen, nicht nur Mangelernährung, sondern auch die ihr zugrunde liegenden Ursachen zu behandeln und den Gemeinden zu helfen, sich langfristig an Stressfaktoren anzupassen.
Unsere Strategie soll schließlich zu einem klimafreundlichen Netzwerk führen, das Landwirt*innen unterstützt, Geld für die Landwirtschaft aufbringt, neue Märkte schafft, Menschen mit Finanzinstituten verbindet und sich für nachhaltige Politik einsetzt.
Viele Menschen im Distrikt Senanga in Sambia nutzen Mais, um ihre Familien zu ernähren. Doch die Pflanze wächst aufgrund des wenigen Regens in der Region nur noch schlecht.
Was umfasst das Programm „Seeds of Hope“?
„Seeds of Hope“ will den Menschen beibringen, wie sie sich den Klimarisiken stellen können. Die drei Säulen des Programms sind Bewusstsein, Handeln und Zugang: Wir schärfen das Bewusstsein der Gemeinschaft und helfen ihr, Klimarisiken zu erkennen; wir mobilisieren die Gemeinschaft zum Handeln, um diese Risiken zu mindern; und wir sorgen dafür, dass die Gemeinschaft einfachen Zugang zu den Ressourcen hat, die sie dafür benötigt.
Was sind weitere Beispiele für „Seeds of Hope“-Projekte?
Das Programm legt den Schwerpunkt auf die Stärkung klimagerechter landwirtschaftlicher Praktiken. Unser Team wird mit den Gemeindemitgliedern zusammenarbeiten, um Bewässerungssysteme zu entwickeln, leicht zu haltende Viehbestände einzuführen und den Anbau und die Ernte von dürreresistenten Pflanzen zu erleichtern. Außerdem werden wir Schulungen veranstalten und den Menschen beibringen, wie sie Wasser sammeln und speichern, Ressourcen verwalten, Lebensmittel aufbewahren und nahrhafte Mahlzeiten zubereiten können. Wir versorgen die Gemeinschaft auch mit wichtigen Werkzeugen – von Aquakultur- (oder Fischerei-) Ausrüstung bis hin zu Hightech-Geräten, die Kohlenstoff binden und den Boden optimal nutzen.
Das Programm stärkt außerdem auch die lokale Wirtschaft, indem es neue Märkte schafft und landwirtschaftliche Geschäftsmodelle unterstützt. Wir hoffen, Unternehmer*innen – vor allem Frauen und junge Menschen – zu ermutigen, sich mit breiteren Netzwerken zu verbinden und ihre Ernten in größerem Umfang zu verkaufen.
Wie wollen wir ein so umfangreiches Programm aufrechterhalten?
Wir arbeiten eng mit wichtigen Partnern zusammen, um sicherzustellen, dass „Seeds of Hope“ ein Erfolg wird: mit Regierungsministerien, Bauernverbänden, zivilgesellschaftlichen Gruppen und vielen anderen. Vor kurzem erhielten wir sogar 4.000 Hektar von der Königin des Südens (Barotseland), die das Programm ebenfalls unterstützt.
„Seeds of Hope“ hilft Bäuerinnen und Bauern dabei, klimaresistente Pflanzen anzubauen und gibt ihnen Zugang zu Informationen über resistente Anbaumethoden.
Was können wir von der nächsten Phase des Programms erwarten?
Das Projekt „Seeds of Hope“ ist noch lange nicht abgeschlossen. Wir alle wachsen, lernen, passen uns an und verändern uns mit dem Programm. Aber es ist so aufregend! Wir sind jetzt schon so weit gekommen. Die Landwirt*innen sind alle begierig darauf, ihr Geschäft weiterzuentwickeln und neue Informationen geradezu aufzusaugen. Wir haben eine überwältigend positive Resonanz erhalten.
Können Sie uns ein Beispiel für die Wirkung von „Seeds of Hope“ nennen?
In Senanga, einem der Bezirke, in denen wir arbeiten, werden die Menschen aufgrund extremer Überschwemmungen entlang des Sambesi-Flusses vertrieben. Doch wenn sie ins Landesinnere ziehen, merken sie schnell, wie sehr dieses Gebiet von der Dürre betroffen ist. Sie sehen, dass der Mais völlig verdorrt ist und die Gemeinden ums Überleben kämpfen. Deshalb arbeiten wir mit diesen Menschen zusammen, um zu überlegen, welche Ressourcen ihnen zur Verfügung stehen. Wir wollen sicherstellen, dass sie eine gute Erntesaison haben können, ohne auf Regen angewiesen zu sein. Anstatt sich auf externe Unterstützung zu verlassen, können sie ihre Denkweise ändern, ihre Ressourcen nutzen und ihre eigene Selbstversorgung weiterentwickeln.
Über das kommende Jahrzehnt werden Mary und die anderen Teammitglieder von „Seeds of Hope“ in Distrikten wie Senanga arbeiten und die Menschen inspirieren.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft von „Seeds of Hope“?
Wir sind dankbar, dass wir in Sambia arbeiten, während sich das Land in einer Phase des Friedens befindet. Wir haben die Möglichkeit, uns in erster Linie auf die Entwicklung zu konzentrieren und nicht auf eine dringende Reaktion auf einen Konflikt oder eine andere Notsituation. Wir können endlich die Probleme angehen, die der Mangelernährung zugrunde liegen, aber auch sicherstellen, dass die Gemeinschaft selbst die Initiative ergreift. Letztendlich sind es diese Teamarbeit und diese Einigkeit, die das Programm ausmachen.