Links ein zerstörtes Kindercafé in Saporischschja, rechts eine Jugendgruppe in Kharkiv beim Basteln.

Krieg in der Ukraine: Kinder zahlen den höchsten Preis

Immer wieder fordern russische Angriffe Dutzende Tote und Verletzte. Oft sind auch Kinder und Jugendliche unter den Opfern. Im Juli 2024 etwa wurden ein Kinderkrankenhaus und eine Entbindungsklinik in Kyjiw zerstört. Seit Beginn der groß angelegten Invasion fordert der Krieg einen hohen Tribut von ukrainischen Kindern. Insgesamt sollen zwischen Februar 2022 und Mitte 2024 mehr als die Hälfte der ukrainischen Kinder vertrieben und 2.200 Kinder getötet oder verletzt worden sein[1]. Doch Kinder leiden nicht nur an äußerlichen Verletzungen. Die eskalierenden Feindseligkeiten, insbesondere im Osten des Landes, gefährden das Leben und die psychische Gesundheit von Kindern.

Krieg hat enorme psychische Auswirkungen auf junge Menschen

Die Vertreibung, der Verlust geliebter Menschen, eine prekäre wirtschaftliche Situation, anhaltende Luftangriffe und Störungen des Bildungs- und Gesundheitssystems haben verheerende Auswirkungen auf die kognitive Entwicklung und die psychische Gesundheit ukrainischer Kinder. Laut einer UNICEF-Umfrage leidet die Hälfte der 13- bis 15-Jährigen an Schlafstörungen, und drei Viertel der 14- bis 34-Jährigen gaben an, emotionale oder psychologische Unterstützung zu benötigen[2].

„Jeder Luftalarm verschlimmert die Angst der Kinder und verstärkt den Lernverlust. Darüber hinaus haben 40 Prozent der ukrainischen Kinder aufgrund der Sicherheitslage oder der Zerstörung der Bildungsinfrastruktur keinen Zugang mehr zu einer formalen Bildung. Außerdem wird der Online-Unterricht regelmäßig durch Stromausfälle aufgrund von Bombenangriffen gestört. Die durch den Krieg verursachten Traumata werden tiefgreifende und langfristige Auswirkungen haben.“

Yuliia Dikalova, stellvertretende Leiterin der Programme für psychische Gesundheit und psychosoziale Unterstützung von Aktion gegen den Hunger in Kharkiv

Allein im Sommer 2024 haben 1.513 Kinder von der psychologischen und psychosozialen Betreuung durch Aktion gegen den Hunger und ihre ukrainischen Partner profitiert, darunter 189 Kinder in der Region Kharkiv, 292 in der Region Sumy, 635 Kinder in der Region Dnipro im Osten des Landes und 306 Kinder in der Region Mykolajiw im Südwesten.

Zwischen Teddybären und rosa Herzluftballons sitzen etwa zehn Kinder und Jugendliche, die jede Woche an den psychologischen und psychosozialen Unterstützungssitzungen teilnehmen, die von Marina Nechaieva, Psychologin von Aktion gegen den Hunger in der Region Kharkiv, geleitet werden. Als Reaktion auf die eskalierenden Feindseligkeiten in der Region hat sie ein Notfallprotokoll entwickelt, das darauf abzielt, Psychoedukation zu betreiben, um die Reaktionen auf ein traumatisches Ereignis zu normalisieren und den emotionalen Zustand der Kinder zu stabilisieren.

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Marina Nechaieva leitet eine Gruppe mit zehn Kindern und Jugendlichen in Kharkiv. Mithilfe von Bastelarbeiten, Spielen und vielen Gesprächen schaffen es die jungen Menschen besser, das Erlebte zu verarbeiten und wieder nach vorne blicken zu können. 

„Diese Kinder stammen oft aus der Region Donbass oder aus Gebieten nahe der Frontlinie. Das bedeutet, dass sie unter Beschuss geflohen sind, nachdem sie verletzt wurden oder einen Angehörigen verloren haben. Viele zeigen Anzeichen von Angst und Depression. Jede Sitzung beinhaltet Zeichnungen oder Spiele und Techniken, um sie zu beruhigen. Ich bemühe mich, ein Vertrauensverhältnis zu den Kindern aufzubauen, und ich lade sie ein, über ihr früheres Leben, ihre Ängste und die Veränderungen, mit denen sie konfrontiert waren, nachzudenken, aber auch, sich in die Zukunft zu projizieren.“

Marina Nechaieva, Psychologin für Aktion gegen den Hunger in Kharkiv

Die 16-jährige Anastasia nahm an den psychologischen und psychosozialen Unterstützungssitzungen von Aktion gegen den Hunger in einem Rehabilitationszentrum für Kinder in der Stadt Kharkiv teil. Anastasia stammt aus der Stadt Luhansk, wo die Kämpfe toben, und kam in den ersten Monaten der großflächigen Invasion nach Kharkiv. Dort musste sie sich an eine neue Umgebung anpassen.

Die Unterstützung von Aktion gegen den Hunger war sehr hilfreich. In der Gruppe konnte ich Nein sagen und erklären, was ich wollte. Ich hatte einige Schwierigkeiten, wenn ich etwas aufgewühlt war und nicht antworten wollte, aber nach dem Gespräch fühlte ich mich besser und es fiel mir leichter, meine Gefühle mitzuteilen. Mein Selbstwertgefühl hat sich durch diese Sitzungen verbessert“, sagt Anastasia.

Es ist noch ein langer Weg, aber die Teams für psychische Gesundheit und psychosoziale Unterstützung (MHPSS) haben eine Verbesserung von Anastasias psychischem Zustand festgestellt. Sie zeigt nun mehr Interesse und teilt aktiv ihre Erfahrungen und Meinungen. Trotz des anhaltenden Krieges, der die Zukunftsaussichten trübt, überrascht sich Anastasia sogar selbst, wenn sie an die Zukunft denkt. „Ich möchte meinen Universitätsabschluss machen und Studentin an der Polizeiakademie werden“, verrät sie lächelnd.

Aktion gegen den Hunger ruft die Konfliktparteien dazu auf, die Zivilbevölkerung und zivile Einrichtungen wie Schulen, Gesundheitszentren, Wohnhäuser und andere wichtige Infrastrukturen zu respektieren und das humanitäre Völkerrecht einzuhalten. Je länger der Konflikt andauert, desto stärker belastet er die Situation der ukrainischen Kinder.

Um den wachsenden Bedarf, insbesondere an psychischer Gesundheit und psychosozialer Unterstützung, zu decken, ist es unerlässlich, die Finanzierung der Programme langfristig aufrechtzuerhalten – insbesondere jetzt, wo die Finanzierung von Projekten wie diesem aufgrund der Entwicklungen rund um USAID ungewiss ist

Über unsere humanitäre Nothilfe in der Ostukraine

Vor allem im östlichen Teil der Ukraine kommt es immer wieder zu Luftangriffen und heftigen Kämpfen. Viele Menschen, die in den Grenzgebieten zu Russland leben, sind aufgrund der Feindseligkeiten in die Stadt Kharkiv die zweitgrößte Stadt der Ukraine, geflüchtet, wo die täglichen Angriffe auch dicht besiedelte Gebiete treffen.

Um auf den gestiegenen humanitären Bedarf in der Region Kharkiv zu reagieren, haben wir in den vergangenen Monaten in Zusammenarbeit mit humanitären Partnern folgende Maßnahmen durchgeführt:

  • Mobilisierung einer mobilen Gesundheitseinheit im Transitzentrum, um den Evakuierten eine medizinische Grundversorgung zu bieten;
  • Unterstützung einer Ambulanz, die mit dem Gesundheitszentrum von Lyptsi verbunden ist, einem Gebiet, das schon immer schwer bombardiert wurde, zwischenzeitlich täglich angegriffen wird und weniger als 5 km von den neuen Grauzonen an der Nordgrenze entfernt ist;
  • Finanzielle Soforthilfe für die von den Angriffen auf ein privates Gebäude im Bezirk Osnovianskyi betroffenen Personen;
  • Unterstützung bei der Organisation von Sitzungen zur psychischen Gesundheit und psychosozialen Unterstützung im Haupttransitzentrum von Kharkiv.

Wir bemühen uns, die nun im Zusammenhang der Kürzungen nach dem Pausieren von USAID gestoppten Projekte schnellstmöglich wieder aufnehmen zu können. 

Quellen:

[1] https://www.lemonde.fr/international/article/2024/06/04/guerre-en-ukraine-les-ukrainiens-rendent-hommage-aux-enfants-tues_6237299_3210.html

[2] https://www.unicef.org/fr/communiques-de-presse/ukraine-deux-ans-de-guerre

24. FEBRUAR 2025
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