COP26 in Glasgow: Die Klimakrise verschärft den Hunger auf der Welt
Die Klimakrise ist eine Hungerkrise: Von den 35 am stärksten vom Klimawandel bedrohten Ländern leiden 27 unter extremer Ernährungsunsicherheit. Zu diesem Schluss kommt ein neuer Klima-Bericht von Aktion gegen den Hunger. Die Hilfsorganisation fordert zum 26. UN-Klimagipfel in Glasgow von den Vertragsstaaten entschiedeneres Engagement für und deutlich mehr Investitionen in den Klimaschutz.
„Wir wissen, dass die aktuellen Klimaschutzverpflichtungen bei weitem nicht ausreichen, um das 1,5 Grad-Ziel zu erreichen. Aktuell steuern wir auf 2,7 Grad globale Erwärmung zu – mit katastrophalen Folgen für die Ernährungssituation von mehreren Hundert Millionen Menschen weltweit“, sagt Jan Sebastian Friedrich-Rust, Geschäftsführer von Aktion gegen den Hunger.
Die humanitäre und entwicklungspolitische Organisation hat anlässlich der UN-Klimakonferenz den Klima-Bericht „Climate Change – A Hunger Crisis In The Making“ veröffentlicht, der den Zusammenhang zwischen dem Klimawandel und der sich verschärfenden globalen Hungerkrise verdeutlicht. Der Bericht zeigt zudem, dass beim aktuellen Kurs bis 2040:
- die globalen Ernteerträge um 50 Prozent sinken könnten,
- rund 3,9 Milliarden Menschen häufigeren und massiveren Hitzewellen ausgesetzt sein werden,
- 400 Millionen Menschen arbeitsunfähig werden könnten,
- 700 Millionen Menschen einem höheren Risiko von Dürre ausgesetzt wären und
- Überschwemmungen und Hochwasser zunehmen würden.
„Kurz gesagt: Wir steuern auf eine globale Hungerkrise zu, die Millionen Menschen das Leben kosten wird“, so Friedrich-Rust. „Die politischen Verantwortlichen müssen in Glasgow endlich so agieren, wie es die Lage erfordert: ihre Klimaschutzpläne deutlich nachbessern, die Unterstützung für humanitäre Hilfe ausbauen und in Maßnahmen investieren, die Hungersnöten vorbeugen.“
Globaler Süden besonders betroffen
Am heftigsten sind schon heute die Menschen und Gemeinschaften von der Klimakrise betroffen, die historisch gesehen am wenigsten zu ihrer Entstehung beigetragen haben. So betragen die gesamten Treibhausgasemissionen der 27 am stärksten von Ernährungsunsicherheit betroffenen Länder weniger als 5 Prozent der gesamten Treibhausgasemissionen der G7-Staaten. Gleichzeitig verfügen diese Länder über weniger finanzielle Ressourcen, um die Folgen des Klimawandels aufzufangen und abzumildern.
Aktion gegen den Hunger ruft die internationale Staatengemeinschaft daher auf, die Finanzierung von klimabedingten Schäden und Anpassungen (loss and damages) sowie die vorausschauende humanitäre Hilfe dringend auszubauen.
Das sind die Kernforderungen aus dem Klima-Bericht:
Klimafinanzierung:
- Die Vertragsstaaten müssen ihre Zusage einlösen, bis 2024 jährlich 100 Milliarden Dollar für die Klimaschutzfinanzierung zur Verfügung zu stellen.
- Die Regierungen müssen sich verpflichten, die jährliche Finanzierung im Zeitraum 2021-2025 aufzustocken, wobei der Schwerpunkt auf Zuschüssen statt Darlehen liegen sollte. Darüber hinaus muss ein höheres globales Finanzierungsziel für die Zeit ab 2025 vereinbart werden, wie es im Pariser Abkommen vorgesehen ist.
- Die Regierungen müssen sicherstellen, dass neue und zusätzliche Finanzmittel für Lösungen mit sozialem, gesundheitlichem und ernährungsbezogenem Zusatznutzen, wie zum Beispiel die Agrarökologie als nachhaltiges Ernährungssystem, in größerem Umfang bereitgestellt werden.
Humanitäre Reaktion und vorausschauendes Handeln:
- Geber müssen flexiblere, leichter zugängliche und langfristige Finanzierungsmöglichkeiten bereitstellen, um humanitäre Organisationen dabei zu unterstützen, rasch auf die steigenden humanitären Bedarfe durch die Klimakrise sowie deren Multiplikatoreffekte zu reagieren.
- Höhere Investitionen der Geber sind nötig, um die bereits am stärksten vom Klimawandel betroffenen Länder bei ihren Anpassungsstrategien sowie vorausschauenden Maßnahmen für klimabedingte Extremereignisse zu unterstützen.
- Die Vertragsstaaten müssen klare und datengestützte Schwellenwerte zum Auslösen von reaktiven Maßnahmen festlegen. Zuständigkeiten müssen klar definiert und festgelegt werden.
Hinweise für die Redaktionen: Der Klima-Bericht „Climate Change – A Hunger Crisis In The Making” kann hier heruntergeladen werden.
Das Pressefoto kann mit dem Bildrecht © Aktion gegen den Hunger/Peter Caton frei verwendet werden. Weiteres Bildmaterial sowie Fallbeispiele aus den stark vom Klimawandel betroffenen Ländern Madagaskar, Äthiopien und Südsudan stehen Ihnen hier zur Verfügung.
Fallbeispiele:
- Madagaskar: Madagaskar erlebt die erste Hungersnot der Welt, die auf den Klimawandel zurückzuführen ist. Zehntausende von Menschen leiden nach vier Jahren ohne Regen unter katastrophalem Hunger und Ernährungsunsicherheit. Eine halbe Million Kinder unter fünf Jahren sind von akuter Unterernährung bedroht.
- Äthiopien: Dürren und Konflikte sorgen seit langem für eine humanitäre Destabilisierung in Äthiopien. Der Klimawandel verschärft die Situation: 19,2 Millionen Menschen benötigen humanitäre Unterstützung, über 35 Prozent aller Kinder leiden an Unter- oder Mangelernährung.
- Südsudan: Der Südsudan gehört zu den ärmsten Ländern der Welt: Rund 7,5 Millionen Menschen sind auf humanitäre Hilfe angewiesen. Armut, Korruption sowie bewaffnete Konflikte führen zu massiven Fluchtbewegungen: Rund 1,7 Millionen Menschen leben als Binnenvertriebene im Südsudan, fast 2,5 Millionen Menschen leben in den Nachbarländern. Die Folgen des Klimawandels verschärfen die desolate humanitäre Situation: Massive Überschwemmungen kosteten 2020 rund 1 Million Menschen die Lebensgrundlage und lösten in großen Teilen des Landes eine Hungerkrise aus.
Über Aktion gegen den Hunger:
Aktion gegen den Hunger ist eine humanitäre und entwicklungspolitische Hilfsorganisation, die weltweit in rund 50 Ländern und Regionen aktiv ist und über 25 Millionen Menschen unterstützt. Seit mehr als 40 Jahren kämpft Aktion gegen den Hunger gegen Mangelernährung, schafft Zugang zu sauberem Wasser und gesundheitlicher Versorgung. 8.300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter leisten Nothilfe und unterstützen Menschen beim Aufbau nachhaltiger Lebensgrundlagen.