Rekorddürre in Somalia: Immer mehr Kinder hungern
In Somalia steigt die Anzahl der wegen schwerer Mangelernährung behandelter Kinder um 55 Prozent, warnt die humanitäre Hilfsorganisation Aktion gegen den Hunger. Während eine anhaltende Dürre und steigende Lebensmittelpreise den Hunger in der Region schüren, ist die humanitäre Hilfe in dem Land zu 85 Prozent unterfinanziert. Mit Pressefoto.
Die verheerendste Dürre seit Jahrzehnten, steigende Lebensmittelpreise und anhaltende Konflikte lassen die Anzahl hungernder Menschen in Somalia weiter ansteigen. In sechs von insgesamt 18 Regionen droht dieses Jahr eine Hungersnot, über 6 Millionen Menschen erleben bereits jetzt eine Nahrungsmittelkrise (IPC-Phase 3 oder mehr). Die humanitäre und entwicklungspolitische Hilfsorganisation Aktion gegen den Hunger behandelte von Januar bis April 2022 55 Prozent mehr schwer mangelernährte Kinder als im Vorjahreszeitraum. Gleichzeitig bleiben wegen der ungenügenden Finanzierung der humanitären Hilfe zu viele Kinder ohne Versorgung, kritisiert Ahmed Khalif, Landesdirektor von Aktion gegen den Hunger in Somalia:
„Die hohen Lebensmittelpreise und der eingeschränkte Zugang zu sauberem Wasser haben zu einem Anstieg der schweren Unterernährung und zu alarmierenden Ausbrüchen von tödlichen, durch Wasser übertragbare Krankheiten wie Cholera geführt“, so Khalif. „Unsere Teams haben die Programme zur Vorbeugung von Hungersnöten und zur Notfallbehandlung rasch ausgeweitet, aber wir brauchen mehr finanzielle Mittel und einen sicheren Zugang für humanitäre Helfer, um die am meisten gefährdeten Menschen zu erreichen. Es kommen mehr schwer unterernährte Kinder als je zuvor in unsere Stabilisierungszentren. Doch obwohl die meisten Fälle behandelbar wären, haben wir einfach nicht ausreichend Medikamente oder Betten, um alle Bedürftigen aufzunehmen.“
Aktuell sind lediglich 15 Prozent des humanitären Finanzierungsbedarfs für Somalia für das Jahr 2022 gedeckt.
Konflikte und Preissteigerungen erschweren humanitäre Versorgung
„Unsicherheit und politische Instabilität erschweren es Organisationen wie Aktion gegen den Hunger, Hilfsgüter sicher an die besonders gefährdeten Gemeinden zu liefern. Gleichzeitig sorgt die desolate Ernährungslage zu einer Zunahme der Spannungen in der Region“, erklärt Ahmed Kalif die Herausforderungen der humanitären Versorgung vor Ort.
Erschwerend belasten die Preissteigerungen infolge des Ukrainekriegs die Versorgung der Menschen vor Ort. Regional haben sich die Kosten für Grundnahrungsmittel seit Mai 2021 mehr als verdoppelt: In El Barde ist beispielsweise der Preis für Pflanzenöl um 129 Prozent gestiegen (3 Liter von 3,50 USD auf 8 USD), der Preis für Mehl um 133 Prozent (50 Kilogramm von 30 USD auf 70 USD) und für Reis um 112 Prozent (50 Kilogramm von 33 USD auf 70 USD). Auch die Versorgung mit therapeutischen Nahrungsmitteln (Ready-to-Use Therapeutic Foods – RUTF), die für die Behandlung akut mangelernährter Kinder unbedingt benötigt werden, wird immer schwieriger: Einem Bericht von UNICEF zufolge wird der Weltmarktpreis von RUTF in den kommenden sechs Monaten um 16 Prozent steigen.
„Da in sechs Gebieten Somalias eine Hungersnot droht, brauchen wir dringend einen ungehinderten Zugang für humanitäre Hilfe zu den Menschen in Not sowie eine höhere und flexible Finanzierung, um den wachsenden Bedarf zu decken“, so Khalif.
Hungerkrise am Horn von Afrika: Appell an G7-Präsident Olaf Scholz
Somalia ist nicht das einzige Land in der Region, das von einer schweren Hungerkrise betroffen ist. Am gesamten Horn von Afrika leiden 6,8 Millionen Kinder an akuter Unterernährung.
„Am Horn von Afrika erleben wir die tödliche Kombination der Folgen von Klimawandel und Konflikten. Bundeskanzler Olaf Scholz – der sich aktuell selbst auf dem afrikanischen Kontinent ein Bild machen kann – muss sich als Präsident der G7 dafür einsetzen, dass neben vorausschauenden und langfristigen Maßnahmen gegen Hungersnöte auch jetzt sofort mehr Geld für die Behandlung von Mangelernährung bereitgestellt wird“, so Jan Sebastian Friedrich-Rust, Geschäftsführer von Aktion gegen den Hunger in Deutschland.
Er sagt weiter: „Während wir die neue Global Alliance for Food Security der G7 begrüßen, sehen wir die Gefahr, dass wirtschaftliche Interessen der Wirksamkeit dieses Bündnisses im Weg stehen werden.“
„Besonders vor dem Hintergrund der Klimakrise müssen die G7 durch Agrarökologie die Arbeit von lokalen Kleinbäuerinnen und Kleinbauern stärken und sie widerstandsfähiger machen, statt die industrielle Landwirtschaft auf dem afrikanischen Kontinent zu fördern”, so Friedrich-Rust.
Über Aktion gegen den Hunger in Somalia
Seit 1992 arbeiten die Teams von Aktion gegen den Hunger in Somalia an der Prävention und Behandlung von Hunger, der Verbesserung der Wasser- und Sanitärversorgung und der Stärkung der Gesundheitssysteme. Im Jahr 2022 wurden knapp 100.000 Kinder und Erwachsene gegen Mangelernährung und andere Krankheiten behandelt. Im Kampf gegen die Dürre unterstützt Aktion gegen den Hunger tausende Familien mit Bargeldhilfen, Wasserlieferungen sowie landwirtschaftlichen Schulungen und Solarbewässerungskits.
Hinweis an die Redaktionen
Jan Sebastian Friedrich-Rust, Geschäftsführer von Aktion gegen den Hunger Deutschland und Ahmed Khalif, Landesdirektor von Aktion gegen den Hunger in Somalia (auf Englisch), stehen für Interviews zur Verfügung.
Das Pressebild kann hier heruntergeladen und mit der Angabe des Copyrights © Aktion gegen den Hunger frei für die redaktionelle Berichterstattung verwendet werden. Bildunterschrift: Die Hilfsorganisation Aktion gegen den Hunger ist seit 1992 in Somalia im Einsatz, um Mangelernährung zu diagnostizieren und zu behandeln. Hier berät eine Gesundheitsfachkraft Mütter, die durch Dürre und Konflikt aus ihrem Zuhause vertrieben wurden.