Zehn Jahre Syrienkrieg: 80 Prozent der Bevölkerung leben in Armut, 60 Prozent in Ernährungsunsicherheit
10 Jahre nach Beginn des Syrienkrieges ist die Lage für die Bevölkerung desolat. Die Preise für Grundnahrungsmittel sind im vergangenen Jahr um 250 Prozent gestiegen und für viele Menschen unerschwinglich. 3 von 4 Menschen in Syrien sind auf externe Hilfe bei der Grundversorgung angewiesen. Rund 12 Millionen Menschen mussten ihr Zuhause verlassen. Das zeigt ein aktueller Bericht der humanitären Hilfsorganisation Aktion gegen den Hunger über die Lage vor Ort.
„Viele Menschen haben ihre täglichen Mahlzeiten auf zwei reduziert, Lebensmittel auf Kredit gekauft oder ihr Vieh und ihre Habseligkeiten verkauft, um Geld zu erhalten. Das zeigt in aller Deutlichkeit, wie eng Krieg und Hunger miteinander zusammenhängen“, berichtet Nasr Muflahi, Landesdirektor von Aktion gegen den Hunger in Syrien. „Wir sehen, wie viele Jungen und Mädchen die Schule verlassen, um arbeiten zu gehen und einen gefährlichen Anstieg der Kinderheirat“, so Muflahi. Aktion gegen den Hunger leistet seit 2008 humanitäre Nothilfe in Syrien und ist derzeit mit 114 Mitarbeiter*innen vor Ort.
Syrische Frauen – entscheidend für die Zukunft des Landes
Frauen sind in Syrien wie weltweit besonders stark von Hunger und Mangelernährung betroffen – mit weitreichenden Konsequenzen. „Mehr als 500.000 schwangere Frauen haben keinen Zugang zu angemessenen Gesundheitsdiensten. Durch den Mangel an Mikronährstoffen kommt es zu Anämie und somit zur Mangelernährung des Babys. Viele der so verursachten Schäden werden irreversibel sein und die Lernfähigkeit und das körperliche Wachstum der Kinder einschränken“, erklärt Chiara Saccardi, Regionaldirektorin von Aktion gegen den Hunger. „Zusätzlich erleben Frauen eine Zunahme von häuslicher Gewalt und sexueller Belästigung, die in Konfliktkontexten exponentiell zunehmen“, fügt sie hinzu.
Viele Frauen in Syrien sind nicht nur von Hunger und Armut betroffen, sondern übernehmen durch den Verlust von Familienmitgliedern die alleinige Verantwortung für die Ernährung von Kindern und älteren Verwandten. Aktion gegen den Hunger betont, dass ein Ende der Syrienkrise nur möglich ist, wenn Frauen vollständig und aktiv in Friedensprozesse integriert werden.
Wiederaufbau der Infrastruktur notwendig
Eine Dekade Krieg hat die Infrastruktur des Landes zerstört. Zusätzlich zu der weiterhin benötigten humanitären Nothilfe muss der Wiederaufbau im Land verstärkt werden und die Unabhängigkeit der Syrer*innen von Hilfsleistungen zum Ziel haben. „Die Verteilung von Wasser aus Tankwagen oder Nahrungsmittelrationen können keine dauerhafte Lösung sein. Das ist weder nachhaltig noch menschenwürdig. Es ist an der Zeit, den Wiederaufbau eines erschöpften Landes in Angriff zu nehmen. Es ist an der Zeit, die sichere Rückkehr der mehr als fünf Millionen Geflüchteten in den Nachbarländern und der mehr als sechs Millionen Binnenvertriebenen zu ermöglichen“, sagt Hélène Michou, Advocacy-Referentin für Syrien bei Aktion gegen den Hunger. Die Organisation befürwortet zudem die kurzfristige Aussetzung der internationalen Sanktionen, denn die Überweisung von Geldern aus dem Ausland könnte den Wiederaufbau erleichtern.
Aktion gegen den Hunger ist eine der wenigen internationalen Organisationen, die seit Beginn des Krieges im Land arbeiten und humanitäre Hilfe leisten können. Unsere Hilfe erreicht 2,3 Millionen Menschen in 14 Provinzen. Wir haben dazu beigetragen, dass die betroffene Bevölkerung mit sauberem Trinkwasser versorgt wird und Nahrungsmittelhilfe erhält sowie Unterkünfte bereitgestellt werden. Zudem führen wir Gesundheits-Programme durch.
Hinweis an die Redaktionen: Gerne vermitteln wir Interviews in Englisch, Französisch, Spanisch oder Italienisch.