Ich arbeite als Fotojournalistin in Mogadischu in Somalia. Hier Fotojournalistin zu sein, ist ehrlich gesagt ein ziemlich harter Job. Journalist*innen werden nicht geschützt – und als Frau ist es sogar noch riskanter.
Wir werden auf unterschiedliche Weisen belästigt. Manche Menschen beschimpfen uns, andere rufen „Schämt euch!“, weil wir uns als Frauen diesen Situationen aussetzen. Dabei ist es eine ganz normale Arbeit, genau wie jede andere Arbeit, die sonst Männer verrichten.
In erster Linie Mensch, dann Fotografin
Am Wichtigsten ist mir bei meiner Arbeit das Verständnis für die Situation der Menschen, die ich dokumentiere. Sozusagen eine menschliche Perspektive. Wir müssen einander verstehen, uns als Menschen verbinden. Denn in erster Linie bin ich Mensch, erst dann Fotografin. Ich habe nie in den Schuhen der Menschen gesteckt, die ich fotografiere und das respektiere ich. Aber ich versetze mich immer so gut es geht in ihre Lage.
Im Gegensatz zu Fotograf*innen, die nur kurz vorbeikommen, habe ich das Privileg hier vor Ort zu sein. Das hat mir sehr geholfen, mich mit den Menschen zu verbinden und sie nicht nur als Fotomotive zu betrachten.
Natürlich ist es auch schwer zu bleiben. Schwer, all das in sich aufzunehmen. Aber ich denke, es ist notwendig - deshalb entscheide ich mich zu bleiben.
Sechs Wochen für ein Kinderleben
Mein Fotoprojekt „Sechs Wochen für ein Kinderleben“ hat mir die Verantwortung vor Augen geführt, die ich habe, die Geschichten der Menschen hier zu erzählen. Es hat mir geholfen, die Arbeit besser zu verstehen, die wir hier in Somalia leisten und auch die Menschen, die wir unterstützen. Ich finde es sehr wichtig, dass ihre Geschichten gehört werden.
Die Geschichte von Fatuma und Halima
Fatuma teilt das Schicksal von vielen Frauen im Geflüchtetenlager von Mogadischu: Sie ist geschieden, hat zwei Kinder und keinerlei familiäre Unterstützung.
Das erste Mal traf ich Fatuma in einem Gesundheitszentrum von Aktion gegen den Hunger, in das sie ihre Tochter Halima gebracht hatte. Halima zeigte alle Anzeichen lebensbedrohlicher Mangelernährung: Sie war untergewichtig, hatte geschwollene Füße und Hände und ihre Haare fielen aus.
Wie ging es mit Halima weiter? Lesen Sie die ganze Geschichte über Halimas Genesung
Das System lässt die Frauen alleine
Ich würde sagen, dass das System viele Frauen wie Fatuma alleine lässt. Niemand ist bereit, innerhalb der Gemeinde Beratungen anzubieten. Niemand ist bereit, über die Schwierigkeiten zu sprechen, mit denen die Frauen konfrontiert sind. Frauen wie Fatuma machen häufig traumatische Erfahrungen, die sie dann auch an ihre Kinder weitergegeben.
Diese Frauen brauchen viel Unterstützung. Sie brauchen nicht nur jemanden wie mich, der ihre Geschichten erzählt. Sie brauchen psychologische und finanzielle Unterstützung und im Allgemeinen einen sicheren Ort, an dem sie als Frauen leben und gedeihen können.
Ich tue das, was ich jeden Tag mache, weil ich es für wichtig halte, die Stimme dieser Frauen zu sein und sie auf globalen Plattformen sichtbar zu machen. Es ist wichtig, dass sich die Menschen der Situationen bewusst sind, in denen sich Frauen wie Fatuma befinden.
Fotoreportage als Beweismittel vor Gericht
Halimas Leidensgeschichte begann, als Fatumas Ex-Mann sie ohne die Kinder aus dem Haus geschickt hat. Bevor er Halima zu Fatuma zurückbrachte, vernachlässigte und schlug er das Mädchen.
Ein paar Wochen nach der Arbeit an dem Projekt meldete sich Fatuma bei mir und erzählte, dass ihr ehemaliger Ehemann sie vor Gericht bringen würde und damit drohte, die Kinder zurückzunehmen.
Da ich die Situation dokumentiert hatte, in der sich Halima befand, hatte ich Bildnachweise über Halimas Zustand, als sie zum ersten Mal von ihrem Vater zurückkam. Fatuma bat mich, ihr einige Fotos von Halima während ihrer Behandlung zu schicken.
Fatuma präsentierte die Bilder dann vor Gericht. Wir haben ein erstaunliches Ergebnis erzielt, denn diesmal war das Gericht auf ihrer Seite! Fatumas ehemaligem Ehemann wurde gesagt, dass er nicht mehr in die Nähe der Kinder kommen dürfe.
In den meisten Fällen erfahren Frauen von den Gerichten nicht diese Gerechtigkeit: Oftmals entscheiden sich die Gerichte für die Seite des Mannes. Ich denke, dass wir als Aktion gegen den Hunger Fatuma sehr dabei geholfen haben den Prozess zu gewinnen, indem wir ihre Geschichte dokumentiert haben.