Am 11. November beginnt der 29. UN-Klimagipfel, bei dem Vertreter*innen aus Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft zusammenkommen, um die globalen Klimaschutzmaßnahmen zu koordinieren. Doch in den vergangenen Jahren hat sich die COP zunehmend zu einer Plattform entwickelt, auf der auch Wirtschaftsvertreter*innen ihre Interessen auf großer Bühne vertreten können. Auch große Agrarkonzerne und die Agrarchemieindustrie verstärken Jahr für Jahr ihre Präsenz auf dem Gipfel. Obwohl sie sich rhetorisch oft voll und ganz dem Klimaschutz verschreiben, dient ihre Strategie bei genauerem Hinsehen meist anderen Zielen. Statt eine dringend notwendige Transformation des Agrarsystems zu fördern, sichern sie oft vor allem ihr Geschäftsmodell und den Status quo.
Dieser Artikel ist eine Zusammenfassung der Inhalte aus der Broschüre Lobbyismus auf dem Klimagipfel. Wie internationale Großkonzerne die Klimapolitik beeinflussen – Schwerpunkt Agrarindustrie, der diese Mechanismen mit Beispielen im Detail beschreibt.
Landwirtschaft als Ursache und Opfer der Klimakrise
Landwirtschaft und Ernährungssysteme sind gleichzeitig Verursacher und Leidtragende der Erderwärmung. Rund 22 Prozent der weltweiten Treibhausgase stammen laut dem IPCC aus der Land- und Forstwirtschaft sowie der Land(um)nutzung. Intensiv bewirtschaftete Flächen und der Einsatz von Chemikalien tragen zur Bodendegradierung und Wasserverschmutzung bei. Böden, die durch Pestizide und Düngemittel belastet sind, verlieren an natürlicher Widerstandskraft und Kohlenstoffspeicherfähigkeit. Der Ausweitung von Monokulturflächen und Viehzucht weichen jedes Jahr Hunderttausende Hektar Regenwald.
Eine Palmölplantage am Rande des Regenwaldes in Südostasien. Regenwald weicht hier den Interessen der Nahrungsmittelindustrie.
Gleichzeitig macht die Klimakrise die Nahrungsmittelproduktion anfällig. Steigende Temperaturen, Wassermangel und Extremwetterereignisse führen zu Ernteausfällen und gefährden die Ernährungssicherheit. Besonders gravierend ist das für Regionen, die bereits jetzt von Hunger und Mangelernährung betroffen sind.
Die Verbindung zwischen Landwirtschaft und Hunger
Hunger ist ein Problem, das eng mit der Klimakrise und unserem Ernährungssystem verbunden ist. Denn obwohl weltweit mehr Nahrungsmittel produziert als verbraucht werden, leiden Millionen Menschen unter Hunger.
Menschenrechte statt Konzerninteressen
Einer der Gründe dafür ist, dass die globalisierte industrielle Landwirtschaft in erster Linie Produkte für den globalen Markt erzeugt und einer auf Profit ausgerichteten Logik folgt. Das bedeutet, dass globale Agrarkonzerne vor allem an Produkten wie Fleisch oder Getreide und Ölen aus Monokulturen für den Export interessiert sind, statt lokale Bedürfnisse zu decken. Gleichzeitig üben sie mit ihrer Ankaufskraft enormen Druck auf lokale Erzeuger*innen aus, ihre bevorzugten Waren anzubauen. So werden beispielsweise 70 bis 90 Prozent des gesamten globalen Weizenhandels von nur fünf Konzernen kontrolliert. Nur drei Konzerne vereinnahmen indes bis zu 60 Prozent des weltweiten Marktes für kommerzielles Saatgut und Agrarchemikalien, wobei Bayer allein ein Drittel des kommerziell verfügbaren Saatguts kontrolliert.
Vor allem Kleinbäuer*innen und Gemeinschaften im Globalen Süden sind durch diese marktbeherrschende Position großer Konzerne wirtschaftlich benachteiligt und häufig von Preisschwankungen und Importabhängigkeiten betroffen. Zusätzlich gelingt es den Konzernen, Bäuer*innen finanziell an sich zu binden, da sie für einen erfolgreichen Absatz ihrer Produkte häufig zunächst patentiertes Saatgut samt Pestiziden und Düngemittel erwerben müssen. All das schwächt lokale Ernährungssicherheit und die Fähigkeit von Gemeinschaften, sich langfristig unabhängig, gesund und an die lokalen Gegebenheiten angepasst mit Nahrungsmitteln zu versorgen.
Die Klimakrise verschärft diese Ungleichheit. Während die industrielle Landwirtschaft ihre Erträge kurzfristig durch den intensiven Einsatz von Chemikalien steigert, schwächt sie langfristig die Resilienz der Agrarsysteme. Der zunehmende Druck auf lokale Produzent*innen und die Zerstörung natürlicher Ressourcen führen zu einer Ernährungsunsicherheit, die gerade in klimaanfälligen Gebieten dramatische Folgen hat.
Agrarindustrie: Lobbyarbeit auf den Klimagipfeln
Mit Hunderten Delegierten, darunter Vertreter*innen von Handelsverbänden wie CropLife und der International Fertilizer Association, nehmen die Agrar- und Agrarchemieindustrie Einfluss auf politische Entscheidungsträger*innen. Bei der COP28 in 2023 waren 340 Abgesandte der Agrarindustrie vor Ort – doppelt so viele wie noch im Jahr davor. Mehr als hundert dieser Lobbyist*innen reisten im Rahmen offizieller staatlicher Delegationen nach Dubai und genossen somit direkten Zugang zu den diplomatischen Verhandlungen.
Auch einflussreiche Agrarkonzerne wie Bayer, Syngenta, Cargill und Yara haben ihre Lobbybemühungen auf den Klimagipfeln in den vergangenen Jahren stark intensiviert und nutzen den Gipfel als Plattform, um ihre Interessen und Narrative zu fördern.
Zur Broschüre "Lobbyismus auf dem Klimagipfel"
Die Methoden zur Einflussnahme reichen von der Teilnahme in nationalen Delegationen über exklusive Veranstaltungen und Panels bis hin zur Bereitstellung von Fachwissen und Gesetzesentwürfen. Indem sie sich als Teil offizieller Delegationen präsentieren, verschaffen sich diese Unternehmen direkten Zugang zu den Verhandlungen und stärken ihre Position in politischen Prozessen. Dieser Einfluss auf die UN-Klimaverhandlungen ist jedoch stark umstritten, da die Interessen der Unternehmen häufig im Widerspruch zu den notwendigen Maßnahmen zur Reduzierung der Emissionen und zur Förderung eines gerechteren Ernährungssystems stehen.
Narrative der Konzerne: Regenerative Landwirtschaft als Marketinginstrument
Ein zentrales Narrativ, das die Agrarindustrie auf den Klimagipfeln bewirbt, ist der Begriff der regenerativen Landwirtschaft. Ursprünglich steht dieser Begriff für eine Anbaumethode, die auf den Erhalt und die Verbesserung der Bodenfruchtbarkeit sowie den Schutz von Wasserressourcen und Biodiversität abzielt. Konzerne wie Bayer oder Syngenta nutzen jedoch eine abgewandelte Definition und setzen regenerative Landwirtschaft vor allem mit Technologien und chemischen Eingriffen gleich, die ihren Geschäftsmodellen entsprechen.
Der Konzern Bayer etwa sieht regenerative Landwirtschaft als eine Kombination aus genetisch verändertem Saatgut, synthetischen Düngemitteln und chemischen Pflanzenschutzmitteln zur Produktivitätssteigerung und besseren Bodenausbeute. Auch Syngenta setzt auf technische Lösungen, um die Bodenqualität zu verbessern und den Kohlenstoffgehalt zu erhöhen – jedoch meist ohne grundlegende Veränderungen in der Struktur der industriellen Landwirtschaft anzustreben. Kritiker*innen werfen diesen Unternehmen vor, den Begriff der regenerativen Landwirtschaft als Marketinginstrument zu missbrauchen, ohne substanzielle Änderungen in der Praxis vorzunehmen.
Beispiele großer Agrarkonzerne und ihrer Strategien
- Bayer-Monsanto: Bayer propagiert Carbon Farming und bietet genetisch verändertes Saatgut sowie chemische Herbizide und Düngemittel an, um Landwirt*innen bei der Umsetzung klimafreundlicher Methoden zu unterstützen. Kritiker*innen betonen jedoch, dass diese Produkte die Abhängigkeit der Landwirt*innen von Bayer verstärken und keinen wirklichen Systemwandel bewirken.
- Syngenta: Das Unternehmen bietet technologiebasierte Lösungen an, um Erträge zu sichern und Böden zu regenerieren. Dazu gehören präpariertes Saatgut und digitalisierte Anbausysteme. Auch Syngenta fördert Ansätze, die den Einsatz chemischer Präparate und Monokulturen beibehalten und eher den industriellen Status quo stützen.
- Cargill: Cargill hat das Programm RegenConnect ins Leben gerufen, bei dem Landwirt*innen für die Speicherung von Kohlenstoff im Boden belohnt werden. Gleichzeitig bleibt Cargill ein bedeutender Akteur im internationalen Soja- und Rindfleischhandel, der mit massiver Entwaldung und klimaschädlichen Emissionen verbunden ist.
- Yara: Der norwegische Düngemittelhersteller setzt auf die Reduktion fossiler Emissionen und die Entwicklung von sogenanntem grünen Ammoniak als Alternative. Auch Yara sieht sich als Befürworter regenerativer Landwirtschaft, jedoch vor allem durch den Einsatz von Düngemitteln und Technologien zur Präzisionslandwirtschaft, die die intensive Produktion aufrechterhalten.
Echter Klimaschutz ist möglich – durch Transformation statt Scheinlösungen
Die Klimaschutzstrategie der großen Agrarkonzerne basiert auf Scheinlösungen, die primär dem Erhalt ihrer Geschäftsmodelle dienen. Während sie öffentlichkeitswirksam Begriffe wie die regenerative Landwirtschaft nutzen, fehlt es an echten Reformen, die auf ein ökologisch und sozial gerechteres Agrarsystem abzielen. Die industrielle Landwirtschaft muss grundlegend umgestaltet werden, um die Ernährungssicherheit und Klimaresilienz der globalen Agrarsysteme nachhaltig zu verbessern.
Eine Transformation der Landwirtschaft ist dringend erforderlich, um die Belastungen für Klima und Umwelt zu reduzieren. Agrarökologische Ansätze, die auf lokale, naturfreundliche und sozial gerechte Methoden setzen, bieten hierfür eine echte Alternative. Eine klimagerechte Landwirtschaft muss die Interessen kleinbäuerlicher Betriebe und der besonders von der Klimakrise betroffenen Gemeinschaften in den Mittelpunkt stellen und den Einfluss großer Unternehmen auf die Klimaverhandlungen begrenzen.
Nur durch eine gerechte Transformation der Agrarsysteme können wir den Herausforderungen der Klimakrise begegnen und eine nachhaltige und ausgewogene Versorgung mit Lebensmitteln sicherstellen.