Im Tschad betreiben unsere Mitarbeitende Ernährungsaufklärung und verteilen therapeutische Fertignahrung zur Behandlung von Mangelernährung. Der anhaltende Konflikt im Sudan zwingt viele Menschen zur Flucht.

Was ist Mangelernährung?

Mangelernährung ist die weltweit größte Bedrohung für das Überleben von Kindern. Über 45 Millionen Kinder unter fünf Jahren leiden unter akuter Mangelernährung. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation sind zudem mehr als 149 Millionen Kinder durch chronische Mangelernährung in ihrer Entwicklung gehemmt.

Doch es gibt Lösungen: Mangelernährung ist vorhersehbar, vermeidbar und lässt sich behandeln. Der Kampf gegen den weltweiten Hunger ist bezahlbar. Kein Kind müsste an Hunger sterben.

Von abgeschnittenen Gebirgsdörfern, über Flüchtlingscamps bis hin zu sozialen Brennpunkten in Großstädten – Aktion gegen den Hunger diagnostiziert, behandelt und vermeidet Mangelernährung in 56 Ländern und Regionen der Erde. Unsere Programme starten oft in Krisenzeiten und konzentrieren sich auf die Verletzlichsten unter uns, darunter Kleinkinder, schwangere Frauen und junge Mütter. 

Akute Mangelernährung

Akute Mangelernährung tritt ein, wenn dem Körper nicht genug Nahrung zugeführt wird und er seine Energiereserven verbraucht: Der Körper beginnt, auf der Suche nach Nährstoffen und nach überlebenswichtiger Energie, sein eigenes Gewebe zu verbrauchen, beginnend mit Muskeln und Fett. Dadurch verlangsamt sich der Stoffwechsel des Körpers, die Temperaturregelung wird gestört, die Nierenfunktion beeinträchtigt und das Immunsystem funktioniert nur noch eingeschränkt. Je größer der Verlust an Muskelmasse und anderem Gewebe ist, desto größer wird die Gefahr für das Überleben. 

Leichte akute Mangelernährung

Bereits bei einer leichten akuten Mangelernährung besteht ein erhöhtes Sterberisiko, weil schwerwiegende Mangelerscheinungen das Immunsystem schädigen und eine gesteigerte Anfälligkeit für Krankheiten auslösen. Zu diesen Mangelerscheinungen gehören Anämie (durch Eisenmangel), Kropf (durch Jodmangel), Xerophtalmie (durch Mangel an Vitamin A) sowie Skorbut, Pellagra, Beriberi (durch Mangel an Vitamin B) und Rachitis (Mangel an Vitamin D).

Schwere akute Mangelernährung

Die schwere Form akuter Mangelernährung kann bei Nichtbehandlung tödliche Folgen haben. Schwere akute Mangelernährung verursacht jährlich den Tod von mehr als drei Millionen Kindern unter fünf Jahren. Diese Todesfälle sind umso tragischer, weil schwere akute Mangelernährung vermeidbar und behandelbar ist. Die Krankheit kann eine von zwei Formen annehmen: schwerer Muskelschwund oder Kwashiorkor. Kinder mit schwerem Muskelschwund sehen aus wie vorzeitig gealtert. Ihre Körper – oft nicht viel mehr als ein Gerippe – sind extrem dünn durch den massiven Verlust an Fett und Gewebe. Die zweite Form ist Kwashiorkor, die von Ödemen (geschwollenem Gewebe) auf Armen, Beinen und Gesicht des Kindes gekennzeichnet ist. Das Gesicht des Kindes erscheint oft voll, trotz der Mangelernährung.

Chronische Mangelernährung

Chronische oder auch dauerhafte Mangelernährung besteht mitunter über Generationen. Sie ist einer der Hauptgründe, warum Gesellschaften in ihrer Entwicklung ausgebremst werden. Die chronische Mangelernährung führt dazu, dass Kinder sich nicht ihrem Alter entsprechend entwickeln und Folgeschäden davontragen können. Dies kann sowohl die Entwicklung des Gehirns als auch die des Körpers betreffen. Folgen sind zum Beispiel motorische Einschränkungen, verminderte geistige Fähigkeiten und eine erhöhte Anfälligkeit für Krankheiten. Kinder, die in jungen Jahren dauerhaft mangelernährt waren, haben oft schlechtere schulische Leistungen. Zudem ist die Gefahr der Kindersterblichkeit erhöht. Für die betroffenen Gesellschaften bedeutet dies, dass die wirtschaftliche Produktivität gehemmt wird. Sie sind gefangen in einem Kreislauf aus Hunger und Armut.

Diagnose der Mangelernährung

Die Diagnose der Mangelernährung kann auf unterschiedliche Weise ermittelt werden. Die gängigste Art, Mangelernährung bei Kindern zu diagnostizieren, ist das Vermessen des Körpers. Die Diagnose erfolgt in der Regel auf eine von drei Arten:

  1. Wiegen und Messen des Körpers. Das Gewicht eines Kindes wird mit dem Normalgewicht für die jeweilige Körpergröße verglichen. Als Normalgewicht werden Ergebnisse von Studien herangezogen, bei denen Tausende gesunder Kinder gewogen wurden. Liegt das Gewicht unter den internationalen Normwerten, so wird das Kind als unterernährt eingestuft. 
     
  2. Messen des mittleren Oberarmumfangs. Eine weitere Methode zur Feststellung des Ernährungszustands eines Kindes ist das Messen des mittleren Oberarmumfangs. Da dies nicht mehr als ein einfaches, farbkodiertes Messband anstatt einer Waage und eines Körpergrößenmessgerätes erfordert, wird diese Methode oft in Krisensituationen herangezogen. Sie ist besonders für Kinder im Alter zwischen sechs Monaten und fünf Jahren geeignet. Ein Messwert unter 12,5 cm bedeutet, dass das Kind unter moderater akuter Mangelernährung leidet. Falls der MUAC-Messwert (MUAC = mid-upper arm circumference) allerdings unter 11,5 cm liegt, kann das Leben des unter fünfjährigen Kindes in Gefahr sein, da es unter schwerer akuter Mangelernährung leidet.
     
  3. Suche nach Ödemen. Eine dritte Möglichkeit akute Mangelernährung zu diagnostizieren, ist die Suche nach Ödemen. Kinder mit Ödemen sehen oft aufgeschwemmt aus. Sie haben Schwellungen an den Beinen, Füßen oder im Gesicht. Drückt man leicht mit dem Daumen auf einen Knöchel oder Fuß des Kindes, so verbleiben kleine Einbuchtungen. Das Vorliegen von Ödemen in Füßen und Unterschenkeln ist ein Anzeichen von schwerer akuter Mangelernährung.
Im Geflüchtetencamp in Hudur, Somalia, untersucht unser mobiles Gesundheitspersonal die elf Monate alte Awliyo Ali mit einem MUAC-Band auf Mangelernärhung, während ihre Mutter Hawa Muse ihre Hand hält.
Icon

Bei der Diagnose von Mangelernährung nutzen unsere Mitarbeitenden das sog. MUAC-Band, um den Armumfang bei Kindern zu messen. Der rote Messbereich bedeutet akute Mangelernährung. Die Kinder sind in Lebensgefahr und müssen sofort medizinisch behandelt werden.

Behandlung akuter Mangelernährung 

Aktion gegen den Hunger behandelt Fälle von schwerer akuter Mangelernährung bei medizinischen Komplikationen stationär. Nach Möglichkeit erfolgt die Behandlung in Zusammenarbeit mit den Gemeinden vor Ort jedoch ambulant. Ohne Behandlung droht schwer unterernährten Kindern und Erwachsenen der Tod.

Unser integrierter Ansatz

Zusammen mit den lokalen Gemeinden und Gesundheitsdiensten diagnostiziert Aktion gegen den Hunger Mangelernährung, behandelt sie und beugt ihr vor. Kinder mit schwerer akuter Mangelernährung werden meist in stationären Intensiveinrichtungen behandelt werden, in sogenannten therapeutischen Ernährungszentren. Diese Einrichtungen ähneln einem Krankenhaus und erfordern die Anwesenheit der Kinder und ihrer Eltern während der Behandlung über mehrere Wochen bis Monate. Hier werden die Kinder rund um die Uhr betreut und untersucht, täglich mit hochkalorischer Aufbaunahrung und den für sie erforderlichen Medikamenten versorgt. Insbesondere für sehr stark mangelernährte Kinder kann der Aufenthalt hier lebensrettend sein. 

Die Eltern lernen während des Aufenthaltes, wie sie richtig auf die Erkrankung ihrer Kinder reagieren, was über den Besuch im Gesundheitszentrum hinaus zu tun ist und erfahren in Koch- und Stillschulungen mehr über kindgerechte Ernährung. 

Therapeutische Fertignahrung

Mittlerweile ermöglichen neu entwickelte therapeutische Fertignahrungsmittel jedoch auch eine ambulante Behandlung zu Hause, die den Aufenthalt im Ernährungszentrum verkürzt oder direkt in der Gemeinde beginnen kann. Diesen Ansatz bezeichnen wir als „gemeindebasierte Behandlung akuter Mangelernährung“ (CMAM = community-based management of acute malnutrition). Medizinische Fachkräfte unterstützen dabei die örtlichen Gemeinden bei der Diagnose und Behandlung. Oft werden die Kinder zwar in den ersten Wochen im Ernährungszentrum behandelt, können zusammen mit ihren Eltern jedoch früh wieder nach Hause. Dort werden sie von den Fachkräften in ihrer Gemeinde in den darauffolgenden Wochen weiterbetreut. Die Vorteile: Die Kinder und Eltern können schnell wieder in ihre gewohnte Umgebung zurück – und in den Ernährungszentren ist mehr Platz für Kinder, die ebenfalls schnell Hilfe benötigen. 

Als therapeutische Fertignahrung werden Pasten und Kekse auf Erdnussbasis bezeichnet, die aufgrund ihres hohen Nährstoff- und Proteingehaltes ein hervorragender Energielieferant sind. Diese sogenannte RUTF-Nahrung (RUTF = ready-to-use therapeutic foods) verringert das Risiko der Bakterienübertragung, da sie kein Wasser enthält. Zudem erfordert sie keine Kühlung und kann unmittelbar verzehrt werden. 

Der Kampf gegen Mangelernährung hat sich grundlegend verändert

Die gemeindebasierte Behandlung akuter Mangelernährung hat den Kampf gegen Mangelernährung von Grund auf verändert. Dank der therapeutischen Fertignahrung können Kinder nun auch in den entlegensten Regionen erreicht werden und es kann einer viel größeren Anzahl von Kindern geholfen werden. Denn die gemeindebasierte Behandlung verringert die Kosten der Behandlung bei schwerer akuter Mangelernährung, da Eltern die betroffenen Kinder zu Hause behandeln können. Zudem müssen die Eltern nicht den Rest ihrer Familie verlassen oder ihre Erwerbstätigkeit unterbrechen.

Mangelernährung vorbeugen

Nahrungs- und Existenzsicherung

Unsere Programme zur Nahrungs- und Existenzsicherung helfen Gemeinden und Familien, ihre Eigenständigkeit wiederzuerlangen und nachhaltige Nahrungsquellen aufzubauen.

Unsere Projekte sind vielfältig: Wir stellen Saatgut, Werkzeuge, Nutztiere und tierärztliche Dienste zur Verfügung. Wir unterrichten Methoden zur Verbesserung der landwirtschaftlichen Produktion. Zudem helfen wir Menschen, Kleinunternehmen zu gründen, damit sie eine sichere Einkommensquelle haben und ihre Familie ernähren können.

Erfahren Sie mehr über unser Arbeitsfeld Nahrungs- und Existenzsicherung.

Wasser und Hygiene

Zum umfassenden Ansatz von Aktion gegen den Hunger gehört auch der Aufbau einer Trinkwasserversorgung und Abwasserentsorgung in ländlichen Gemeinden. Da viele dieser Gemeinden keinen Zugang zu sauberem Wasser und nur unzureichende sanitäre Einrichtungen haben, zählen Krankheiten wie Durchfall, Ruhr oder Cholera immer noch zu den häufigsten Todesursachen, besonders bei Kindern. 

Wir können Mangelernährung nicht erfolgreich bekämpfen, ohne die Krankheiten anzugehen, die als zusätzliche Risikofaktoren das Überleben der Schwächsten gefährden. In Notfallsituationen installieren wir zudem Handpumpen und Speicherbehälter. Damit sich Krankheiten nicht ausbreiten, verteilen wir Hygienesets und bauen Toiletten und Handwaschstationen.

Dass wir die Gemeinschaften vor Ort stets einbeziehen, liegt im Interesse der Nachhaltigkeit unserer Arbeit: So bilden wir etwa lokale Dorfkomitees aus, die sich anschließend eigenständig um die Wasser- und Abwasserinfrastruktur kümmern. Wir organisieren Gesundheitsteams, die anderen Dorfbewohnern den Umgang mit sanitären Einrichtungen und Hygienemaßnahmen vermitteln, auch nachdem wir das Gebiet schon verlassen haben. 

Zudem arbeiten wir nach Möglichkeit eng mit den zuständigen Gesundheitsministerien zusammen, um die Nachhaltigkeit unserer Programme sicherzustellen.

Erfahren Sie mehr über unser Arbeitsfeld Wasser & Hygiene.

Vorausschauende humanitäre Hilfe

MERIAM ist ein Frühwarnsystem, das humanitären Akteuren ermöglicht, schon frühzeitig Risiken von konflikt- und klimabedingten Schocks sowie anderen Faktoren, die Mangelernährung begünstigen, zu erkennen. Aktion gegen den Hunger hat es gemeinsam mit den Universitäten von Maryland und Minnesota entwickelt, die Finanzierung der momentanen Projektphase trägt zum Großteil das Auswärtige Amt.

Politische Arbeit

Aktion gegen den Hunger arbeitet oft in Ländern, in denen grundlegende Rechte der Bevölkerung verletzt werden: Die Menschen erhalten keinen oder nur eingeschränkten Zugang zu Nahrungsmitteln, Trinkwasser, Land und anderen Lebensgrundlagen. Um gegen diese Ungerechtigkeit vorzugehen, informieren wir die breite Öffentlichkeit über die vorhandenen Missstände und üben Druck auf Politiker und Entscheidungsträger aus.

Mit dieser Öffentlichkeitsarbeit bekämpfen wir die Ursachen des Hungers, während wir gleichzeitig die betroffenen Menschen mit unseren Hilfsprogrammen unterstützen. Dabei stellen wir sicher, dass unsere Neutralität bewahrt und die Sicherheit unseres Personals sowie der Zugang zu den betroffenen Bevölkerungsgruppen nicht gefährdet werden.

Erfahren Sie mehr über unser Arbeitsfeld Politische Arbeit.

14. NOVEMBER 2024
NEWSLETTER ABONNIEREN

Abonnieren Sie jetzt unseren E-Mail-Newsletter und erhalten Sie regelmäßig und kostenlos Informationen aus erster Hand!