Verbraucher*innen fragen immer mehr nachhaltige und fair hergestellte Produkte nach. Unternehmen können eigentlich kaum noch anders, als auf eine umwelt- und klimafreundliche Produktion und gerechte Arbeitsbedingungen zu achten. Warum passiert das trotzdem viel zu wenig? Leider verwenden viele Konzerne vor allem sehr viel Zeit und Energie dafür, sich durch ihre Außenkommunikation ein soziales und umweltfreundliches Image aufzubauen. Einer davon ist Nestlé.
Bluewashing: Wie Greenwashing eine reine Marketing-Maßnahme
Der Begriff Greenwashing ist mittlerweile bekannt: Konzerne geben sich einen grünen Anstrich, ohne konkrete Taten folgen zu lassen. Dabei werden oft klimafreundliche Modellprojekte oder einzelne besonders ökologisch nachhaltige Produkte in den Mittelpunkt der Corporate Identity gestellt. Die tatsächlichen Lieferketten und Produktionsbedingungen werden jedoch gar nicht grundlegend verbessert.
Weit weniger verbreitet ist der entsprechende Begriff für die sozialen und ethischen Kriterien, die Unternehmen in ihren Produktionsketten befolgen – oder eben nicht. Schönfärberei bei der Einhaltung der Menschenrechte nennt man – passend zur blauen Farbe der Vereinten Nationen – Bluewashing. Sowohl Blue- als auch Greenwashing haben gemein: Wie weit das Engagement einer Firma wirklich reicht und wo die PR-Strategie anfängt, ist meist sehr schwer zu beurteilen. Um das alles genau zu durchschauen, muss man sich nämlich die gesamten Lieferketten ansehen – und die sind meist sehr undurchsichtig.
Gerade bei international agierenden Unternehmen braucht es oft viel Recherchearbeit, um nachzuverfolgen, wie die Arbeits- und Produktionsbedingungen entlang der Lieferketten ausfallen. War bei diesen Turnschuhen Kinderarbeit im Spiel, werden die Näher*innen eines Modelabels fair bezahlt, haben Arbeiter*innen das Recht, sich in Gewerkschaften zu organisieren? Für wie viele Emissionen und andere umweltschädliche Nebenwirkungen ist eine Firma verantwortlich? Wie repräsentativ sind die innovativen Beispiele aus dem Nachhaltigkeitsbericht wirklich?
Mangelnde Kontrollen, fehlende Transparenz
Das Grundproblem ist also: Die meisten Aussagen, die Unternehmen über ihre Produkte treffen, sind schwer nachzuprüfen. Es gibt inzwischen eine unüberschaubare Anzahl an verschiedenen Labels und Siegeln (wie Fair Trade, FSC, klimaneutral oder das EU-Bio-Siegel), die das Engagement in bestimmten Bereichen unabhängig bewerten sollen. Doch nicht jedes Siegel ist gleich aussagekräftig – einige können Unternehmen sich sogar erkaufen – und in vielen Fällen sind die Kontrollen nicht konsequent genug.
So auch bei der UNO Global Compact Initiative, die seit 1999 das soziale und ethische Handeln von Unternehmen fördern soll. Dieser Pakt zwischen den Vereinten Nationen und der freien Wirtschaft ist die weltweit größte Initiative für nachhaltige und verantwortungsvolle Unternehmensführung. Die Konzerne verpflichten sich dabei zu zehn grundlegenden Prinzipien für eine sozialere, nachhaltigere und zukunftsfähigere Wirtschaft – unter anderem in den Bereichen Menschenrechte, Arbeitsnormen und Umweltschutz. Auch wenn es positiv zu bewerten ist, dass inzwischen 19.000 Unternehmen weltweit bei der Initiative mitmachen – so hat der Pakt doch ein grundlegendes Problem: Die Einhaltung der Regeln wird nicht genug kontrolliert. Verstoßen Unternehmen gegen eines der Prinzipien, wird das nicht bestraft.
Nestlé: skrupelloser Image-Profi
Der Nestlé-Konzern ist ein bekanntes Beispiel dafür, wie ein multinationales Unternehmen versucht, sich ein progressives und nachhaltiges Image zu erschaffen – obwohl das in keinem Verhältnis zu seinen tatsächlichen Aktivitäten steht. Der Schweizer Lebensmittelkonzern erntet regelmäßig Kritik für seinen großen CO₂-Fußabdruck, seine ausbeuterischen Arbeitsbedingungen, die rein profitorientierte Wasservermarktung und die umweltschädlichen Plastikverpackungen – um nur einige Bereiche zu nennen.
Im drastischen Kontrast dazu prangt „Good Food Good Life“ als Motto unter Nestlés Logo. Das Unternehmen veröffentlicht regelmäßig einen Nachhaltigkeitsbericht und kommuniziert offensiv zu Klimaschutz, Plastikvermeidung und gesunder Ernährung. Schaut man sich die Social-Media-Kanäle des Unternehmens an, entsteht der Eindruck, man habe es mit einem rundum ethischen und klimafreundlichen Unternehmen mit den strengsten Standards zu tun.
Nestlé & seine Babymilch: Wo Bluewashing Leben kostet
Besonders problematisch wird diese unehrliche Vermarktung, wenn es um Produkte für Kinder geht. Ein trauriges Beispiel ist der riesige Markt für Babynahrung, den Nestlé weltweit als einer der Marktführer bedient. In seiner Außenkommunikation behauptet Nestlé, sich an die Standards der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zu halten. Auf der Webseite ist zu lesen: „Wir unterstützen den WHO-Kodex voll und ganz“ und „Muttermilch ist die beste Ernährung für Säuglinge“.
Das stimmt aber einfach nicht: Nestlé bewirbt seine künstliche Babynahrung weiterhin auf der ganzen Welt und riskiert so skrupellos die Gesundheit von Kleinkindern. Nach über 40 Jahren hat der Großkonzern den Milchkodex immer noch nicht vollständig umgesetzt. Nur auf massiven Druck aus der Zivilgesellschaft hin bewegt Nestlé sich in kleinen Schritten vorwärts. Ab Januar 2023 wird Nestlé seine Werbung für Babymilch für Säuglinge bis 6 Monate auf der ganzen Welt einstellen, in sogenannten Hochrisikoländern* verzichtet das Unternehmen bereits auf Werbung bis 12 Monate.
Das reicht aber bei weitem nicht: Mit unserer Kampagne „Nestlé: Stopp deine Werbung für Babymilch!“ fordern wir den Lebensmittelkonzern dazu auf, seine Werbung für künstliche Babymilch einzustellen und den Milchkodex der Weltgesundheitsorganisation vollständig umzusetzen.
Machen Sie mit und lassen Sie uns gemeinsam Nestlés Bluewashing ein Ende setzen und Kinderleben retten!
*Diese Definition ist erfüllt, wenn eines der folgenden Kriterien zutrifft:
Die Sterblichkeitsrate bei Kindern unter 5 Jahren ist höher als 10 pro 1.000
Die akute Mangelernährung bei Kindern unter 5 Jahren ist höher als 2 Prozent"