Eine Mitarbeiterin von Aktion gegen den Hunger im Gespräch mit zwei Bauern im Gazastreifen in einem Gewächshaus.

Hilfe für Bäuerinnen und Bauern im Gazastreifen: Frische Lebensmittel trotz Krieg

Im Gazastreifen sind mehr als die Hälfte der Anbauflächen durch den Krieg beschädigt worden. Dabei sind angebaute Lebensmittel elementar für die Ernährung der Menschen in Gaza. Aktion gegen den Hunger unterstützt mit speziellen Programmen zur Ernährungssicherung die Gemeinden, einschließlich der Landwirt*innen, dabei, ihre Produktionskapazitäten trotz anhaltender Angriffe zu steigern.  

Landwirtschaft in Gaza ist elementar für Versorgung der Bevölkerung

Nach neun Monaten Konflikt, Blockade und Hungersnot, sind die Landwirt*innen im Gazastreifen von entscheidender Bedeutung für die Ernährungssicherheit der Bevölkerung. Schon vor der Eskalation im Oktober 2023 waren sie maßgeblich daran beteiligt, die Menschen in Gaza zu versorgen.

Seit Oktober ist im Gazastreifen nahezu die gesamte Bevölkerung auf der Flucht – darunter auch Bäuerinnen und Bauern. Ihr Land mitnehmen können sie jedoch nicht. Aktion gegen den Hunger unterstützt sie daher: Unsere Teams helfen bei der Verteilung von Lebensmitteln, wir fördern die lokale Landwirtschaft und unterstützen dabei, die Produktionskapazitäten der Familien, die noch Landwirtschaft betreiben können, zu erhöhen, um möglichst viele Bedarfe zu decken.   

„Der Landwirtschaftssektor im Gazastreifen war in den vergangenen Jahren aufgrund der COVID-19-Pandemie, der Ukraine-Krise, der langwierigen Konflikte im Gazastreifen und des Klimawandels mit immensen Störungen konfrontiert. Seit dem 7. Oktober hat sich die Situation jedoch in einem noch nie dagewesenen Ausmaß verschlechtert.“

Experte für Ernährungssicherheit von Aktion gegen den Hunger im Gazastreifen

Die von Aktion gegen den Hunger geleistete Soforthilfe konzentriert sich auf mehrere Schlüsselbereiche:  

  • Soforthilfe in Form von Saatgut, Düngemitteln und landwirtschaftlichen Werkzeugen zur Wiederaufnahme der landwirtschaftlichen Aktivitäten;  
  • Reparatur und Wiederaufbau beschädigter Infrastrukturen wie Gewächshäuser, Bewässerungssysteme und Wasserressourcen;  
  • technische Unterstützung und Schulungen zu sicheren landwirtschaftlichen Praktiken inmitten der konfliktbedingten Kontamination;  

Diese Hilfen sind notwendig, um die Produktion sicherer landwirtschaftlicher Produkte und die Sicherheit der Bauern zu gewährleisten.  

Die Teams von Aktion gegen den Hunger konzentrieren sich auf Anlagen für erneuerbare Energien, Wassersparmaßnahmen und intelligente landwirtschaftliche Technologien, um einen widerstandsfähigen Landwirtschaftssektor aufzubauen, der in der Lage ist, die aktuelle und künftige Krisen zu überstehen.  

„Unsere Aktivitäten zur Ernährungssicherheit im Gazastreifen haben zwei Hauptziele: die Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln, um eine ausgewogene Ernährung zu gewährleisten, und die Unterstützung des Wiederaufbaus des Agrarsektors, um die Lebensgrundlagen und die Würde der Menschen wiederherzustellen.“

Giulia Pizzicannella, Expertin für Ernährungssicherheit im Nothilfeteam von Aktion gegen den Hunger

Die derzeitige Krise gefährdet das Leben der Menschen in Gaza: Die Bevölkerung hat große Schwierigkeiten, sich mit Grundnahrungsmitteln zu versorgen, da die Lieferungen nicht garantiert sind und der Zugang zu den lokalen Märkten ständig unterbrochen wird. Das führt zu einer immer stärkeren Abhängigkeit von humanitärer Hilfe. Der Einmarsch in Rafah Anfang Mai hat die Auswirkungen des Konflikts noch verstärkt, weil ein Großteil des lokalen Marktes weiter zerstört und der Zugang zu Grundnahrungsmitteln fast unmöglich wurde. Im Sommer 2024 sind 96 Prozent der Bevölkerung in Gaza von einer Hungersnot bedroht.  

 

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Kaum Zugang zum Ackerland

Die meisten der verbliebenen Landwirt*innen haben derzeit keinen Zugang zu ihrem Land. Die, die ihr Land erreichen können, finden es beschädigt oder zerstört vor. Etwa 41 Prozent des Gazastreifens bestehen aus landwirtschaftlichen Flächen, und nach den von den Vereinten Nationen ausgewerteten Satellitenbildern aus dem Zeitraum von Mai 2017 bis 2024 hat sich der Zustand von mehr als der Hälfte dieser Fläche (57 Prozent) verschlechtert. Von diesen geschädigten Flächen waren etwa 61 Prozent Obstgärten, 19 Prozent Gemüse und 20 Prozent Getreide.  

Satellitenbilder zeigen, dass die Durchfahrt schwerer Fahrzeuge, der Beschuss und andere konfliktbedingte Angriffe nicht nur das Land, sondern auch die landwirtschaftliche Infrastruktur im Gazastreifen beschädigt haben: Fast 33 Prozent der Gewächshäuser wurden beschädigt, mehr als 46 Prozent der Brunnen, fast 65 Prozent der Solaranlagen und mehr als 2.300 landwirtschaftliche Infrastrukturen wurden ganz oder teilweise zerstört.  

Die Zerstörung der zivilen Infrastruktur, einschließlich der für die Nahrungsmittelproduktion und -verteilung notwendigen Einrichtungen wie Bauernhöfe, Märkte, Wasserversorgungssysteme, Mühlen sowie Verarbeitungs- und Lagerstätten für Nahrungsmittel, stellt einen direkten Verstoß gegen das humanitäre Völkerrecht dar, einschließlich der Resolution 2417 des UN-Sicherheitsrats, in der Aushungerung und Verweigerung des Zugangs für humanitäre Hilfe als Kriegswaffen verurteilt werden.

Selbst wenn die Feindseligkeiten heute eingestellt würden, hätten die Schäden an den landwirtschaftlichen Flächen aufgrund der Bodenkontamination und der nicht explodierten Munition langfristige negative Folgen für die Nahrungsmittelproduktion. Nach Angaben von UN-Experten könnte die Räumung des Gazastreifens von nicht explodierten Bomben und deren Bedrohung für die Zivilbevölkerung 14 Jahre dauern.

Lokale Märkte und Lebensmittelpreise  

Die massiven Fluchtbewegungen haben zudem verheerende Auswirkungen auf die landwirtschaftliche Produktion und führen zu einem erheblichen Anstieg der Lebensmittelpreise. Viele Landwirt*innen haben den Zugang zu Land verloren, das sie jahrzehntelang bewirtschaftet haben. Damit fehlt ihnen nun nicht nur ihre Lebensgrundlage, sondern auch ein Stück ihrer Geschichte. Trotz dieser Widrigkeiten setzen einige Landwirt*innen ihren Betrieb fort und halten ihre Produktion in Grenzen.  

„Die Einfuhr von landwirtschaftlichen Geräten, Betriebsmitteln und Materialien in den Gazastreifen ist für den Erhalt der Kontinuität und Widerstandsfähigkeit der Landwirtschaft im Gazastreifen von entscheidender Bedeutung. Nach fast neun Monaten der Abriegelung gehen den lokalen Märkten allmählich wichtige Vorräte aus, wie z. B. Nylonfolien für Gewächshäuser, die jetzt für die Herstellung von Zelten verwendet werden. Diese Entwicklung und die begrenzte humanitäre Hilfe setzen die lokale Landwirtschaft unter immensen Druck, die Ernährungssicherheit aufrechtzuerhalten“, fügt der Experte für Ernährungssicherheit von Action Against Hunger in Gaza hinzu. 

Nader, ein Bauer aus Gaza, in seinem Gewächshaus zwischen Pflanzen.
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Nader, einer der Bauern aus Gaza, denen Aktion gegen den Hunger vor dem Krieg geholfen hat, sein eigenes Gewächshaus zu bauen, kontrolliert seine Plantage.

Nach der Ende Juni veröffentlichten alarmierenden IPC-Analyse ist die gesamte Bevölkerung des Gazastreifens in hohem Maße von Ernährungsunsicherheit und Hungersnot bedroht: Die Familien im Gazastreifen haben nach wie vor völlig unzureichenden Zugang zu nahrhaften Lebensmitteln.  

Die Zukunft der Landwirtschaft im Gazastreifen  

Selbst wenn ein Waffenstillstand zustande kommt, wird die Wiederherstellung der landwirtschaftlichen Produktion aus der Zeit vor dem Konflikt ein langer und komplexer Prozess sein. Die Landwirt*innen werden fortlaufend Unterstützung benötigen, um ihr Land zu rehabilitieren und ihre Existenzgrundlage wiederherzustellen. Diese Unterstützung muss umfassend sein und sich nicht nur auf die landwirtschaftlichen Bedürfnisse, sondern auch auf die Wohnsituation, die Gesundheit und das psychologische Wohlbefinden beziehen.  

Wie Aktion gegen den Hunger mit den Bäuer*innen vor Ort zusammenarbeitet  

Aktion gegen den Hunger führt mehrere wichtige Maßnahmen zur Unterstützung der örtlichen Landwirt*innen durch, wie z. B. die Sanierung von Gewächshäusern und landwirtschaftlichen Flächen, um Herausforderungen wie den Mangel an wichtigen Betriebsmitteln auf dem lokalen Markt zu überwinden.

Zu diesem Zweck suchen die Mitarbeitenden zunächst nach Lieferanten, um den Zugang zu Saatgut und anderen wichtigen Betriebsmitteln wie Düngemitteln und Insektiziden zu gewährleisten. Diese Bemühungen sind unerlässlich, damit die Landwirt*innen wieder Grundnahrungsmittel wie Tomaten, Gurken, Zwiebeln und Auberginen für die palästinensische Bevölkerung anbauen können.

Die Beziehungen der Organisation zu den Landwirt*innen vor Ort, die in den zwanzig Jahren, in denen Aktion gegen den Hunger in den besetzten palästinensischen Gebieten tätig ist, aufgebaut wurden, haben entscheidend dazu beigetragen, die Bedürfnisse zu verstehen und die notwendige Unterstützung zu leisten.  Die Schäden, die Zerstörung und der fehlende Zugang zu Land sowie der gravierende Mangel an Treibstoff und Strom und die Verschmutzung des Wassers zeigen nur einen kleinen Ausschnitt der Herausforderungen, mit denen die Bäuer*innen im Gazastreifen derzeit konfrontiert sind. Schon vor dem Krieg war aufgrund der jahrzehntelangen Blockade des Gazastreifens der Zugang zu wichtigen landwirtschaftlichen Betriebsmitteln, Treibstoff, Strom und Trinkwasser nicht gewährleistet. Doch jetzt ist es schwieriger denn je, die Treibstoffversorgung zu sichern und Alternativen wie Solarenergie für die Bewässerung zu finden.  

Angesichts der unzähligen Herausforderungen unterstützen die Teams von Aktion gegen den Hunger in Gaza weiterhin die örtliche landwirtschaftliche Bevölkerung und zeigen damit das Engagement der Organisation für die Wiederbelebung des Agrarsektors in Gaza. Diese Maßnahmen sind nicht nur wichtig, um die derzeitige Ernährungskrise zu lindern, sondern auch, um einer Bevölkerung, die zu viele Jahre des Konflikts und des Traumas erlebt und erlebt hat, Hoffnung und Würde zu bewahren – jetzt mehr denn je.

Infografik: Unsere Arbeit in Gaza: Wir stellen Saatgut, Dünger und Werkzeuge bereit, helfen bei Reparaturen und bieten Schulungen zu Anbaumethoden an.

Über Aktion gegen den Hunger in den Palästinensischen Gebieten und weltweit

Aktion gegen den Hunger ist eine internationale humanitäre Organisation, die die Ursachen und Auswirkungen des Hungers bekämpft. Wir retten das Leben von unterernährten Kindern. Wir sorgen dafür, dass Familien Zugang zu sauberem Wasser, Nahrung, Bildung und medizinischer Grundversorgung haben. Wir unterstützen Flüchtlinge in ihren elementarsten Bedürfnissen. In Spanien erleichtern wir gefährdeten Menschen den Zugang zu Beschäftigung als Mittel zur Überwindung von Ausgrenzung, Armut und Ernährungsunsicherheit.

Trotz der anhaltenden Unsicherheit und der Hindernisse bei der Bereitstellung von Hilfsgütern hat Aktion gegen den Hunger seit Oktober 2023 mehr als 900.000 Menschen im Gazastreifen erreicht. Aktivitäten wie die Verteilung von Nahrungsmitteln, die Förderung der lokalen Landwirtschaft und die Durchführung von Schulungsprogrammen zur Verbesserung der Produktionskapazitäten der Bevölkerung sind Schlüsselkomponenten einer menschenwürdigen und nachhaltigen Nahrungsmittelproduktion.   

1. OKTOBER 2024
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