Somalia: Am Rande einer Hungersnot
Über 7 Millionen Menschen in Somalia sind akut vom Verhungern bedroht, warnt die humanitäre Hilfsorganisation Aktion gegen den Hunger. Wenn die humanitäre Hilfe im Land nicht sofort massiv ausgeweitet wird, droht in vielen Teilen des Landes eine Hungersnot.
Die Hungersituation in Somalia ist laut des aktuellen IPC-Berichts* dramatisch. Etwa 7,1 Millionen Menschen leiden unter einer katastrophalen Hungerkrise. Ohne eine erhebliche Ausweitung der humanitären Hilfe könnte in weiten Teilen des Landes bereits im Oktober eine offizielle Hungersnot erklärt werden. Der IPC-Bericht wird im Auftrag der Vereinten Nationen von einem Gremium unabhängiger internationaler Experten erstellt. Aktion gegen den Hunger gehört diesem Gremium an.
Hungersnot durch Dürre und Gewalt
Auslöser der Hungerkrise ist die schlimmste Dürre seit 40 Jahren. Zudem verschärfen die anhaltende Gewalt in vielen Regionen des Landes und massiv angestiegene Lebensmittel- und Kraftstoffpreise die Lage. Insgesamt rund 20,5 Millionen Menschen in Somalia sind infolge der Krise auf Nahrungsmittelhilfen angewiesen.
„Wenn es im nächsten Monat nicht regnet, wird es zu einer Hungersnot kommen“, berichtet Ahmed Khalif, Landesdirektor von Aktion gegen den Hunger in Somalia, aus Mogadishu. „Lebensmittel sind immer schwieriger zu finden oder für die Menschen nicht mehr bezahlbar. Immer mehr Eltern stehen vor der unmöglichen Entscheidung, welches Kind zu essen bekommt – und welches sterben könnte. Wenn ein schwer unterernährtes Kind in eines unserer Stabilisierungszentren kommt, droht ihm bereits der Hungertod. Eine Mutter im Distrikt Burhakaba verließ ihr Haus auf der Suche nach Nahrung und Hilfe für ihr Kind. Das Baby starb auf ihrem Rücken. Das ist kein Einzelfall. Das passiert vielen Müttern. Viele Todesfälle werden nicht gemeldet“, so Khalif.
So dramatisch ist die Situation in Somalia:
- 7,1 Millionen Menschen stehen am Rande einer Hungersnot.
- Etwa 1,5 Millionen Kinder unter 5 Jahren sind akut unterernährt.
- 68,6 Prozent der Bevölkerung leben unterhalb der Armutsgrenze.
- Rund drei Millionen Nutztiere sind der Dürre zum Opfer gefallen.
- Mehr als eine Million Menschen haben auf der Suche nach Nahrung und Wasser ihr Zuhause verlassen.
- 6,4 Millionen Menschen haben keinen Zugang zu sauberem Wasser und sicheren sanitären Einrichtungen, was zu Ausbrüchen von Cholera und anderen gefährlichen Magen-Darm-Erkrankungen führt.
- Ohne das derzeitige Niveau der humanitären Hilfe wäre in den Bay-Regionen Somalias bereits eine Hungersnot ausgerufen worden.
Jetzt handeln und Hungersnot vermeiden
Aktion gegen den Hunger hat allein im ersten Halbjahr 2022 bereits 7.521 schwer unterernährte Kinder in Stabilisierungszentren behandelt – 253 Prozent mehr als im gesamten Jahr 2021. Dennoch bleiben viel zu viele Kinder ohne Behandlung. „Unterernährung ist behandelbar. Doch unsere Zentren sind überlastet und verfügen oft nicht über genügend Vorräte, Betten, Personal oder Medikamente. Wir benötigen dringend mehr Ressourcen, um Leben zu retten und mehr Familien früher zu erreichen, um sinnlose Todesfälle zu verhindern. Die Welt hat genug Nahrung für alle. Jetzt brauchen wir den Willen zum Handeln“, appelliert Khalif.
Forderung: Hungerbekämpfung im Haushaltsplan priorisieren
Aktion gegen den Hunger fordert angesichts der drohenden Hungersnot auch von der deutschen Regierung den Willen zum Handeln. „Während am Horn von Afrika Millionen Menschen von Hunger bedroht sind, will die deutsche Regierung an ihrer humanitären Unterstützung kürzen“, so Vassilios Saroglou, Pressesprecher von Aktion gegen den Hunger. „Der Haushaltsentwurf für 2023 sieht für humanitäre Hilfe 700 Millionen Euro weniger vor, als noch dieses Jahr. Ein Todesurteil für viele Menschen, die zum Überleben auf genau diese Hilfe angewiesen sind.“
Hinweis an die Redaktionen: Ahmed Khalif (englisch) und Vassilios Saroglou (deutsch) stehen für Interviews zur Verfügung. Bilder für die redaktionelle Berichterstattung stehen hier zum Download bereit und können mit dem Copyright Aktion gegen den Hunger / Said Musse frei verwendet werden.
* Zur Bewertung der Ernährungsunsicherheit verwenden die Vereinten Nationen eine fünfstufige Skala, die als Integrierte Klassifizierung der Ernährungssicherheitsphasen (IPC) bekannt ist. Die höchste IPC-Stufe (Phase 5) ist „Katastrophe“. Innerhalb dieser Stufe wird eine Hungersnot ausgerufen, wenn selbst mit humanitärer Hilfe
- mindestens 1 von 5 Haushalten unter extremem Nahrungsmittelmangel leidet,
- die Rate der akuten Unterernährung bei Kindern über 30 Prozent liegt und
- 2 von 10.000 Erwachsenen und/oder 4 von 10.000 Kindern täglich an Hunger sterben.
Aktion gegen den Hunger in Somalia
Aktion gegen den Hunger ist seit 1992 in Somalia tätig ist. Die Hilfsorganisation arbeitet an der Stärkung der Gesundheitssysteme und betreibt 68 Gesundheits- und Ernährungseinrichtungen und mobile Teams, darunter fünf Krankenhäuser und 30 Gesundheitszentren. In 2022 hat Aktion gegen den Hunger bereits fast 100.000 Kinder und Erwachsene wegen Unterernährung und anderer Krankheiten behandelt. 185.000 weitere Familien erhielten Soforthilfe in Form von Bargeld, damit sie Lebensmittel kaufen können und Landwirte wurden mit Solarbewässerungsanlagen, Saatgut und Dünger unterstützt, damit sie sich angesichts der Klimakrise selbst versorgen können. Außerdem betreibt Aktion gegen den Hunger Aufklärung und Vorsorge gegen Krankheiten wie Cholera, setzt sich für die Wiederherstellung von Brunnen ein und versorgt von der Versorgung abgeschnittene Menschen mit sauberem Trinkwasser.
Über Aktion gegen den Hunger
Aktion gegen den Hunger ist eine humanitäre und entwicklungspolitische Hilfsorganisation, die weltweit in 51 Ländern aktiv ist und über 26 Millionen Menschen unterstützt. Seit über 40 Jahren kämpft Aktion gegen den Hunger gegen Mangelernährung, schafft Zugang zu sauberem Wasser und gesundheitlicher Versorgung. Unsere mehr als 8.300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter leisten Nothilfe und unterstützen Menschen beim Aufbau nachhaltiger Lebensgrundlagen.
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