Kochbananen, Süßkartoffeln und eine Zucchini aus dem Gemüsegarten von Sarasati in Bangladesch.

Richtige (und falsche) Investitionen im Kampf gegen Hunger

Hunger ist kein Schicksal, sondern das Ergebnis menschengemachter Strukturen. Weltweit werden genügend Nahrungsmittel produziert, um alle Menschen zu ernähren – dennoch leiden rund 733 Mio. Menschen Hunger. Die Ursachen dafür sind tief in unseren wirtschaftlichen und politischen Systemen verwurzelt: Kriege, ungerechte Handelspraktiken, verzerrte Subventionen und die Marktmacht weniger großer Konzerne bestimmen, wer Zugang zu Nahrung hat – und wer nicht. 

Doch anstatt in Lösungen zu investieren, die Hunger langfristig bekämpfen, fließen enorme Summen in ein System, das bestehende Ungleichheiten zementiert. Wenn wir Hunger wirklich beseitigen wollen, müssen wir unsere Investitionen grundlegend überdenken. Dieser Artikel beleuchtet, wie ein kaputtes Ernährungssystem finanziert wird – und was es braucht, um ein Ernährungssystem aufzubauen, das allen Menschen zugutekommt. 

Agrarsubventionen in Deutschland und der EU: Agrarförderung über die GAP 

Die Europäische Union investiert rund ein Drittel ihres gesamten Haushalts in die sogenannte Gemeinsame Agrarpolitik (GAP): Für den aktuellen Zeitraum von 2021 bis 2027 verteilt die EU so beispielsweise 386,6 Milliarden Euro für die Agrarförderung an ihre Mitgliedsstaaten. Deutschland erhält aus diesem Budget jährlich rund 6,2 Milliarden Euro, um die Einkommen von Landwirt*innen zu stabilisieren, nachhaltige Bewirtschaftungsmethoden zu fördern und die Entwicklung ländlicher Gebiete zu unterstützen. Hinzu kommen vom Bund weitere 2,6 Milliarden Euro als Subventionen für Tierhaltung, Energievergünstigungen oder Steuervergünstigungen der Länder und Kommunen. Rundherum lässt sich feststellen, dass am Beispiel der Jahre 2021 und 2022 durchschnittlich 45 bis 50 Prozent des Einkommens landwirtschaftlicher Betriebe aus Subventionen kamen.  

Das Problem an der Sache – neben der Tatsache, dass ein Großteil des Einkommens subventionell erreicht wird: Die Zahlungen, insbesondere die Direktzahlungen an Landwirt*innen, sind flächengebunden. Es profitieren also vor allem die großen Betriebe mit viel Flächenanteil. Genauer: 1,7 Prozent der Betriebe erhalten ein Viertel aller Direktzahlungen! 

Problem 1: Subventionen für klimaschädliche Anbaumethoden 

Die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) der EU ist eines der größten Subventionsprogramme weltweit – und eines der umstrittensten. Jährlich fließen aktuell rund 52 Milliarden Euro in die Förderung der europäischen Landwirtschaft – doch anstatt ein zukunftsfähiges, nachhaltiges Ernährungssystem zu fördern, zementiert die GAP bestehende Strukturen der industriellen Landwirtschaft. Viele der geförderten Praktiken stehen in direktem Widerspruch zu wissenschaftlichen Empfehlungen für eine klima- und umweltfreundliche Agrarwende (IPCC, Zukunftskommission Landwirtschaft). 

Ein zentrales Problem: Die Subventionen orientieren sich nicht an Nachhaltigkeit, sondern an Fläche. Landwirte erhalten Direktzahlungen pro Hektar – unabhängig davon, ob sie umweltschonend oder ressourcenintensiv wirtschaften. Das führt dazu, dass vor allem große, konventionell arbeitende Betriebe profitieren. Je mehr Fläche sie bewirtschaften, desto höher die Zahlungen, was den Trend zu immer größeren Monokulturen verstärkt.  

Kulturen wie Mais, Weizen oder Raps dominieren, weil sie mechanisiert und hochproduktiv angebaut werden können. Doch diese Art der industriellen Landwirtschaft schädigt nachweislich der Bodenqualität, reduziert die natürliche Vielfalt und trägt zum Insektensterben bei. Gleichzeitig erfordert sie hohe Mengen an Düngemitteln und Pestiziden, die zur Belastung von Böden und Gewässern sowie zur Emission klimaschädlicher Gase wie Lachgas führen. 

 

Dünger in Häufchen

Grüner Stickstoffdünger – ein Beispiel für fehlgeleitete Investitionen in Deutschland 

Die deutsche Bundesregierung betont in ihrer Klimaaußenpolitikstrategie die Bedeutung von „grünem“ Ammoniak und Stickstoffdünger für die chemische Düngung – und investiert Millionen deutscher Steuergelder in die Förderung der Technologie. Als nachhaltig gilt der Stoff, da er mit erneuerbarer Energie statt fossilem Gas produziert wird. Doch statt echte Agrarwende-Maßnahmen zu fördern, stabilisiert diese Technologie ein umweltschädliches System. Denn Stickstoffdünger macht den Einsatz von Monokulturen einfacher und damit wahrscheinlicher. Damit werden Böden schneller erschöpft und Treibhausgasemissionen in die Höhe getrieben. Zu den Umwelt- und Landschäden kommen mögliche Gesundheitsschäden bei den Menschen, die ihn anwenden. Bei alldem kommt es nicht darauf an, wie der Dünger produziert wird. Statt also Milliarden in eine vermeintlich „grüne“ Variante eines problematischen Produkts zu stecken, wären Investitionen in agrarökologische Ansätze, Fruchtfolgen und Humusaufbau sinnvoller. Nachhaltige Landwirtschaft braucht nicht mehr Dünger, sondern ein System, das weniger davon abhängig ist und damit auch Kleinbäuer*innen zugute kommt, die sich keine teuren Inputs leisten können.

Nachhaltige Alternativen wie agrarökologische Anbaumethoden, Agroforstsysteme oder Mischkulturen, die langfristig Böden und Biodiversität schützen, werden hingegen kaum gefördert. Obwohl es mit der aktuellen GAP-Periode (2023–2027) Umweltprogramme gibt, sind diese meist freiwillig und finanziell wenig attraktiv. Viele Betriebe setzen daher weiterhin auf konventionelle Bewirtschaftung, um wirtschaftlich konkurrenzfähig zu bleiben. Selbst brachliegende Flächen, die zur Regeneration von Böden beitragen könnten, können brachliegende Flächen als „nicht-produktiv“ deklariert werden, ohne dass eine sinnvolle ökologische Aufwertung erfolgen muss. 

 

Problem 2: Subventionen für Exportorientierung der GAP 

Ein weiteres zentrales Problem ist die Exportorientierung der GAP. Ein erheblicher Teil der Subventionen dient dazu, die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Agrarprodukte auf dem Weltmarkt zu sichern. Durch die starke Subventionierung können europäische Produkte teilweise unter den Produktionskosten auf dem Weltmarkt angeboten werden – mit weitreichenden Folgen für globale Ernährungssysteme.  

Denn während in Europa massiv produziert und exportiert wird, geraten kleinbäuerliche Strukturen in anderen Weltregionen unter Druck: Billige EU-Produkte verdrängen lokale Erzeugnisse, bedrohen die lokale Versorgung mit Nahrungsmitteln sowie bäuerliche Einkommensstrukturen und verschärfen neokoloniale Abhängigkeiten. Da die europäische Subventionsstruktur vor allem große Betriebe begünstigt, handelt es sich bei den international exportierenden Akteuren zumeist um große Agrarkonzerne, die so doppelt profitieren: Von Agrarsubventionen bei der Produktion und von einer übermächtigen Position im internationalen Handel.  

Eine Bäuerin aus Peru füttert ihre Hühner.
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Europäische stark subventionierte Produkte, wie beispielsweise Hähnchenfleisch, werden zu Dumping-Preisen in Länder des Globalen Südens exportiert. Das zerstört die Möglichkeit lokaler Bäuerinnen und Bauern ihre Existenz kostendeckend zu sichern. 

Die aktuellen Agrarsubventionen verstärken damit genau die Produktionsweisen, die langfristig nicht tragfähig sind: intensive Monokulturen, hohe Abhängigkeit von chemischen Düngemitteln und Pestiziden sowie eine exportorientierte Landwirtschaft, die vor allem großen Konzernen nützt.  

 

Problem 3: Finanzialisierung des Agrarsystems 

Landwirtschaft und landwirtschaftliche Ressourcen – wie Agrarflächen, Nahrungsmittel oder Agrarrohstoffe – werden zunehmend als Finanzanlagen betrachtet, statt als existenzielle Ernährungsgrundlage für die Menschen. 

Das zeigt sich in mehreren Entwicklungen: 

  • Agrarland als Renditeobjekt: Investoren, Pensionsfonds und Großunternehmen kaufen landwirtschaftliche Flächen auf, um von steigenden Bodenpreisen zu profitieren, statt selbst Lebensmittel zu produzieren. 

  • Spekulation mit Agrarrohstoffen: An Warenterminbörsen werden Derivate auf Weizen, Mais oder Soja gehandelt, was zu Preisschwankungen führen kann – mit teils dramatischen Folgen für Menschen in einkommensschwachen Regionen. 

  • Industrialisierung der Landwirtschaft: Große Agrarkonzerne setzen verstärkt auf Kapitalanleger und orientieren sich an Finanzkennzahlen, was Kleinbäuer:innen oft benachteiligt. 

Diese Entwicklung verschärft den Wettbewerb um Land, fördert großflächige industrielle Landwirtschaft und gefährdet kleinbäuerliche Strukturen. Sie steht im Widerspruch zu einem Ernährungssystem, das auf Nachhaltigkeit und Menschenrechten basiert. 

Rodget Ukuna aus dem Kongo beim Ernten von Auberginen (links), ein agrarindustriell betriebenes Feld eines Großbetriebes (rechts).

Konkurrenz um Ressourcen: Wie Agrargiganten Kleinbäuer*innen verdrängen 

Der Wettbewerb um Land und landwirtschaftliche Ressourcen verändert die Landwirtschaft in Deutschland genauso, wie in unseren Projektländern. Große Betriebe, die vor allem für den Export von Agrarrohstoffen produzieren, verdrängen in vielen Regionen weltweit kleinbäuerliche Strukturen. Studien belegen, dass in Gebieten mit großindustrieller Landwirtschaft die Nahrungsmittelunsicherheit zunimmt, da die lokale Produktion für den Eigenbedarf zurückgeht und Kleinbäuer*innen den Zugang zu Land verlieren. Dies führt nicht nur zu Existenzverlusten, sondern auch zu sozialen Spannungen und Konflikten. 

Die GAP fördert diese Entwicklung, indem sie Exportorientierung und Wettbewerbsfähigkeit priorisiert, anstatt den Zugang zu Land und Ernährungssouveränität zu schützen. So trägt die Finanzialisierung des Agrarsystems in Kombination mit fehlgeleiteten Subventionen dazu bei, dass Landwirtschaft zunehmend von Unternehmen und Finanzakteuren dominiert wird – mit fatalen Folgen für Ernährungssicherheit und das Menschenrecht auf Nahrung. 

 

Die versteckten Kosten unseres Ernährungssystems 

Der Preis, den wir im Supermarkt zahlen, spiegelt oft nicht die tatsächlichen Kosten von Lebensmitteln wider, weil viele externe Effekte nicht eingerechnet sind. Laut der FAO verursacht die gegenwärtige Art, in der wir Nahrungsmittel anbauen, verarbeiten, handeln und konsumieren jährlich versteckte Kosten von mindestens 12,7 Billionen US-Dollar – fast so viel wie der weltweite Marktwert der Lebensmittelbranche selbst.  

Diese Kosten müssen zum Abmildern oder Bekämpfen von Umweltschäden (6,6 Billionen USD), Gesundheitsfolgen (4,6 Billionen USD) und sozialen Missständen (1,5 Billionen USD) durch unser Lebensmittelsystem aufgewendet werden. All diese Gelder sind in den Supermarktpreisen nicht enthalten – und müssen letztlich durch Steuergelder aufgefangen werden. Alexander Müller, ehemaliger stellvertretender FAO-Generaldirektor, fasste es in einem Interview treffend zusammen: „Auf den ersten Blick billige Lebensmittel kommen uns in Wahrheit sehr teuer zu stehen.“ 

Gleichzeitig fließen auch in Deutschland hohe staatliche Subventionen in das System, das die oben beschriebenen Folgekosten verursacht. In Deutschland sind 90 Prozent der versteckten Kosten – hier insbesondere jene von Gesundheitsfolgen – auf ungesunde Ernährung zurückzuführen, angetrieben durch eine Lebensmittelindustrie, die hochverarbeitete Produkte aggressiv vermarktet. Während gesunde Ernährung oft teurer ist, profitieren große Agrarkonzerne von Förderungen, die umweltschädliche Produktionsweisen aufrechterhalten. 

Expert*innen fordern deshalb einen grundlegenden Wandel: Das sogenannte True Cost Accounting soll die realen Kosten sichtbar machen und politische Entscheidungen lenken. Dazu gehören eine Neuausrichtung der Subventionen, Umweltsteuern, nachhaltige Anbaumethoden und bessere soziale Standards. Unternehmen und Regierungen könnten dann Lebensmittelpreise fairer und zukunftsfähiger gestalten. 

Ein Ernährungssystem mit Zukunft: Subventionen sinnvoll einsetzen

Um unser Ernährungssystem nachhaltig und gerecht zu gestalten, muss die Subventionspolitik grundlegend reformiert werden. Statt industrielle Landwirtschaft und klimaschädliche Monokulturen zu fördern, sollten öffentliche Gelder gezielt in agrarökologische Ansätze fließen. Eine Neuausrichtung der GAP (Gemeinsame Agrarpolitik der EU) ist überfällig: Flächenprämien müssen zugunsten von Umwelt- und Sozialleistungen umstrukturiert werden. Das bedeutet, dass Landwirte belohnt werden, wenn sie biodiversitätsfördernde Maßnahmen umsetzen, gesunde Böden aufbauen oder regionale Kreisläufe stärken.

Ein besonderes Augenmerk sollte außerdem auf Investitionen in Ernährungssysteme mit hoher gesellschaftlicher Rendite liegen. Laut Weltbank bringen Investitionen zur Bekämpfung von Unter- und Mangelernährung einen bis zu 23-fachen wirtschaftlichen Nutzen.

Warum? Eine gut ernährte Bevölkerung ist gesünder, produktiver und weniger anfällig für Krankheiten – das senkt langfristig die Kosten für Gesundheitssysteme und fördert wirtschaftliche Stabilität. Anstatt Milliarden in ein System zu stecken, das Umweltzerstörung und ungesunde Ernährung subventioniert, sollten Mittel gezielt in eine zukunftsfähige Landwirtschaft, nachhaltige Anbaumethoden und eine gesunde Ernährung gelenkt werden. 

Darüber hinaus braucht es mehr Unterstützung für Kleinbäuer*innen, die weltweit die Mehrheit der Lebensmittel produzieren, aber oft von Finanzierungsmöglichkeiten ausgeschlossen sind. Staatliche Gelder müssen den Zugang zu nachhaltigen Anbaumethoden, fairen Märkten und klimaresilienten Pflanzen ermöglichen. Gleichzeitig sollten die versteckten Kosten unseres Ernährungssystems transparent gemacht werden. Eine True Cost Accounting-Strategie, die Umwelt- und Gesundheitsfolgen in die Preisbildung integriert, kann den Wandel hin zu einem gerechten System beschleunigen. 

Die derzeitigen Subventionsstrukturen stützen ein agrarindustrielles Modell, das weder sozial gerecht noch ökologisch tragfähig ist. Die Lösung liegt nicht darin, das alte System zu „begrünen“, sondern echte Alternativen zu fördern. Ein Ernährungssystem, das Zukunft hat, braucht mutige politische Entscheidungen der neuen Bundesregierung, eine Umverteilung der Agrarsubventionen und gezielte Investitionen in nachhaltige Lösungen. 

18. FEBRUAR 2025
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