Ein Vater trägt sein Kind über einen verschneiten Weg im winterlichen Afghanistan zu einem abgelegenen Krankenhaus. Die beiden sind nur von hinten zu sehen.

Eine Reise nach Afghanistan: „Bitte vergesst uns nicht!“

Mit Afghanistan begann die Geschichte von Aktion gegen den Hunger. Bis heute arbeiten wir mit vielen Hundert Kolleg*innen vor Ort und geben alles, um die Kinder und Erwachsenen zu unterstützen, die in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder in Not geraten sind. Unsere Kollegin Caroline Siewert war zusammen mit zwei weiteren Kolleg*innen aus unserem deutschen Team vor Ort und berichtet von einem beeindruckenden Land mit bemerkenswerten, gastfreundlichen Menschen mit eisernem Willen. Von einem Leben in viel Leid – aber auch mit viel Hoffnung.

Im Oktober 2024 bin ich gemeinsam mit zwei Kolleg*innen aus unserer Programm-Abteilung nach Afghanistan gereist. Für uns alle war es die erste Reise in dieses beeindruckende Land – und auch, wenn wir mehrfach pro Woche mit unseren Kolleg*innen vor Ort in Kontakt stehen, per Email oder Video-Anruf, wussten wir doch nicht so richtig, was uns erwarten würde. 

Gleich vorab: die Reise war unglaublich! Wir konnten nicht nur unsere Projekte vor Ort besuchen und uns überzeugen, dass diese nach besten Standards umgesetzt werden. Wir konnten auch mit den Frauen, Kindern und Männern sprechen, die unsere Programme nutzen und hier oft lebensrettende Hilfe erhalten. Die Einblicke und Eindrücke und all die persönlichen Geschichten, de ich hören durfte, haben mich wirklich berührt und werden noch lange bei mir bleiben. 

Afghanistan: Von Kabul nach Faizabad

Unsere Reise begann in der Hauptstadt, Kabul, wo wir von unserem Team aufgenommen wurden und auch direkt eine Therapeutische Ernährungseinheit (TFU, Therapeutic Feeding Unit) besuchen konnten. TFUs sind ein Kernstück unserer Arbeit, denn hier erhalten Kinder unter fünf Jahren lebensnotwendige Hilfe, wenn sie an Unter- und Mangelernährung leiden.  

Ein Bild aus einer Ernährungsklinik in Kabul, Afghanistan. Mütter, Kinder und Krankenschwestern sind zu sehen.
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In den TFUs (Ernährungseinheiten) in Krankenhäusern und Gesundheitsstationen können unsere Mitarbeitenden Kinder stationär behandeln. Ihre Eltern bleiben meist bei ihnen. Nach wenigen Wochen kommen die meisten Kinder wieder zu Kräften und können nach Hause zurückkehren.

Gleich am nächsten Tag ging es weiter: nach Faizabad, die Hauptstadt der nord-östlichsten Provinz von Afghanistan, Badakhshan. Faizabad liegt sehr malerisch am Fluss in einem Tal, umgeben von schneebedeckten Bergen – dem Hindukusch.

In einem dreistöckigen Gebäude mit einem kleinen Garten sitzen hier unsere Kollegen und koordinieren die Arbeit, die in den Distrikten der Region umgesetzt wird: In Badakhshan betreiben wir zwei TFUs sowie zwei „Family Health Houses“, die grundlegende medizinische Versorgung anbieten. Darüber hinaus gibt es zahlreiche weitere Projekte, mit denen etwa Gesundheitszentren rehabilitiert und an Wasserleitungen angeschlossen, hygienische Latrinen gebaut oder Saatgut an Familien verteilt wird. Auch ein Projekt zur Katastrophenvorsorge und Anpassung an den Klimawandel wird hier umgesetzt: Afghanistan ist eines der Länder, die am stärksten unter den Auswirkungen des Klimawandels leiden, und die Region Badakhshan hat zunehmend mit Überflutungen zu kämpfen.

Die Rolle unserer Mitarbeiterinnen in Afghanistan

Vielleicht haben Sie es gemerkt: ich schreibe, dass hier unsere Kollegen sitzen. Aber was ist mit unseren Kolleginnen? Aufgrund der besorgniserregenden rechtlichen Lage für Frauen in Afghanistan ist es nicht gestattet, dass diese arbeiten – schon gar nicht in einem Gebäude zusammen mit Männern. Allerdings ist fast die Hälfte unserer Angestellten in Afghanistan weiblich – über 400 Frauen! Damit sie unter den Umständen dennoch weiter arbeiten können, haben wir eine Vielzahl von Maßnahmen eingeführt. So können dank einer Ausnahme für medizinisches Personal viele Kolleginnen innerhalb unserer Gesundheitszentren und TFUs sitzen und arbeiten. In Kabul und Faizabad haben wir außerdem Gebäude direkt neben unseren Büros anmieten können. Mit einigen Umbauarbeiten dienen diese jetzt als Büros für unsere weiblichen Kolleginnen – die Mehrkosten, die dadurch entstehen, können wir übrigens gerade auch durch Privatspenden decken!

Mobile Kliniken sind außerhalb der Städte ein Muss  

Nach dem Besuch unserer Büros in Faizabad konnten wir ein TFU, zwei FHHs sowie einige Projektorte etwa zur Saatgutverteilung in den umliegenden Distrikten besuchen. Dafür mussten wir über holprige Straßen, über Berge und durch Täler und sogar durch ausgetrocknete Flussbetten hindurch fahren. Die meisten Patientinnen und Patienten hingegen kommen zu Fuß oder auf dem Esel in unsere Einrichtungen – zu den meisten Bergdörfern gibt es nämlich keine richtige Zufahrtsstraße und auch kaum motorisierte Transportmittel. Die meisten Mütter, die ihre Kinder in unsere Einrichtungen bringen, brauchen ein bis drei Stunden zu Fuß für einen Weg. Manche kommen allerdings noch von viel weiter her und reisen einen ganzen Tag zu Fuß, um uns zu erreichen.

Im Sommer fahren unsere Kollegen mit einem Wagen zu einigen der Dörfern, um den Menschen den langen Weg zu ersparen und vor Ort alle Kinder zu messen und zu wiegen und mögliche Fälle von Mangelernährung zu entdecken. Im Winter ist das aber nicht möglich: Der Schnee liegt bis zu drei Meter hoch und kein Fahrzeug kann mehr in die Berge reisen. Wir haben unglaubliche Geschichten gehört, von Gemeinden, die schwangere Frauen auf selbstgebauten Tragen stundenlang durch die Schneemassen getragen haben, damit sie eine Hebamme in einem unserer Familiengesundheitshäuser sehen konnte. Denn so schwer der Zugang auch sein mag: unsere Teams arbeiten rund ums Jahr, an jedem Tag und in jedem Wetter.

Die Menschen in Afghanistan geben niemals auf

Geschichten wie diese konnten wir in unserer Zeit in Afghanistan viele hören. Und in den zahlreichen Gesprächen, die ich mit den Ärztinnen und Ärzten, den Krankenschwestern, den Ernährungsberater*innen und Psychologinnen, sowie den Müttern und Patientinnen selbst führen konnte, ist immer wieder eins deutlich geworden: die Menschen in Afghanistan geben niemals auf. „Ganz egal, ob ich die ganze Nacht hier sitze – solange ich weiß, dass ich nur einer Person in meinem Land helfen kann, werde ich alles tun.“ – Das sagte ein Kollege in Faizabad zu mir.

Ob sie die ganze Nacht nach einer Möglichkeit suchen, Menschen zu erreichen, ob sie Tag für Tag in den abgelegenen Bergen zur Arbeit gehen, oder ob sie stundenlang mit ihren Kindern auf den Schultern und in den Armen durch den Schnee laufen – alle Frauen, Männer, Mädchen und Jungen, die ich getroffen habe, geben alles. Sie alle wollen die Hoffnung auf ein besseres Leben nicht aufgeben und lassen keine Hürde auf dem Weg dahin unüberwunden.

Die Stärke, Widerstandskraft und die unglaubliche Gastfreundschaft, die sie dabei stets an den Tag legen, haben mich tief beeindruckt. Genau so, wie die Bitte, die mir fast jede und jeder mit auf den Weg gegeben hat: Bitte vergesst uns nicht.

Die Menschen in Afghanistan tun ihr Bestes, um eine bessere Zukunft für sich und ihre Kinder zu schaffen – und wir geben weiterhin unser Bestes, sie dabei zu unterstützen.

Aktion gegen den Hunger in Afghanistan

Aktion gegen den Hunger wurde im Jahr 1979 als Reaktion auf den Krieg in Afghanistan gegründet. Seitdem helfen unsere derzeit fast 1000 Mitarbeitenden mit kleinen Unterbrechungen fast durchgängig den Menschen dabei, mit der steigenden Armut, der Mangelernährung und den psychischen Herausforderungen umzugehen und einen Weg aus der Abwärtsspirale zu finden. Wir behandeln akut mangelernährte Kinder, unterstützen Gesundheitszentren in Flüchtlingslagern und kümmern uns um Wasserversorgung und Ernährungssicherung:

  • Unsere Teams unterstützen Gemeinden und Gesundheitszentren, um der hohen Mütter- und Kindersterblichkeitsrate entgegenzuwirken.
  • Wir diagnostizieren und behandeln akute Mangelernährung bei Kindern und betreuen Schwangere und stillende Mütter. Dazu betreiben wir zusammen mit Partnern Ernährungsstationen (sogenannte TFUs, therapeutic feeding units).
  • Mit frauenfreundlichen Orten in Ghor und Helmand unterstützen wir Mädchen und Frauen spezialisiert medizinisch und psychosozial.
  • Wir bringen mit mobilen Kliniken medizinische Versorgung auch zu Menschen in abgelegenen Regionen. Weitere sind bereits geplant.
  • Wir verbessern die Wasser- und Sanitärversorgung, um dem Ausbruch von Krankheiten vorzubeugen.
  • Wir stärken maßgeblich die Lebensgrundlagen der Menschen durch Nahrungsmittelsicherungsprogramme.
  • Wir verteilen Bargeldhilfen, damit sich Familien damit selbst ernähren können und gleichzeitig die Märkte vor Ort gestärkt werden.
  • Wir helfen traumatisierten Menschen durch psychosoziale Betreuung, etwa mithilfe einer telefonischen Beratung.

 

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2. JANUAR 2025
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